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In Deutschland mit Handicap

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Start des „KirchenVolksbegehrens” in Deutschland: Im Vergleich zu Osterreich besteht eine ganz andere Ausgangslage.

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Start des „KirchenVolksbegehrens” in Deutschland: Im Vergleich zu Osterreich besteht eine ganz andere Ausgangslage.

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Es gibt nur wenige Fälle in der Geschichte, wo Österreich für Deutschland Vorbild wurde. Meist ist es umgekehrt. Nach dem Erfolg des österreichischen „Kirchen-volks-Begehrens” hat sich eine spontane Initiativgruppe gebildet, um auch in Deutschland eine solche Unterschriftenbewegung in Gang zu setzen. Vom 16. September bis 12. November sind Katholiken, aber auch Andersgläubige eingeladen, mittels Unterschrift dieselben Forderungen wie in Österreich zu begehren.

Der Beginn dieser Initiative, die sich auf Canon 212 des Kirchengesetzes beruft („Den Gläubigen ist es unbenommen, ihre Anliegen ... den Hirten der Kirche zu eröffnen.”), fällt übrigens in eine Zeit, in der man aufgrund des umstrittenen Kruzifixurteils über die christliche Belevanz in der Gesellschaft und die Gottesfrage heftig diskutiert.

Beobachter fragen sich nun zu Becht, ob dieses Volksbegehren denselben Erfolg haben wird wie in Österreich. Gemessen an der Belation der Katholiken müßten in Deutschland zwei bis 2,5 Millionen Unterzeichner zusammengebracht werden, um den etwa 500.000 in Österreich zu entsprechen. Im Gegensatz zu Österreich fehlt aber ein breit aufgestauter Unmut im Kirchenvolk aufgrund konkreter Anlässe und Mißstände.

Aber noch ein weiteres nicht zu unterschätzendes Handicap besteht. In Deutschland sind plebiszitäre Elemente in der Verfassung gar nicht oder nur sehr dürftig vertreten. Volksabstimmungen oder Volksbegehren wie in Österreich sind nahezu unbekannt. Es fehlt also eine derartige positive Grunddisposition bei den Bürgern.

Wie wenig die Deutschen mit dem Begriff Volksbegehren umgehen können, zeigt auch ein Kommentar in der sonst seriösen „Frankfurter Allgemeinen”, der Volksbegehren sprachlich in die Nähe von Aufbegehren rückte. Wie überhaupt in Deutschland vorerst die Medienresonanz verhaltener scheint als sie in Österreich war.

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Haltung der beiden großen überregionalen Tageszeitungen. Während die liberal-konservative „Frankfurter Allgemeine” schon bei der normalen Berichterstattung aus ihrer Antipathie keinen Hehl macht, ist in den Kommentaren der eher konservativen Tageszeitung „Die Welt” Sympathie für die Anliegen des Volksbegehrens zu spüren.

Bei den Bischöfen herrscht zumindest nach außen hin Ablehnung. Daß der für markige Sprüche bekannte Bischof von Fulda, Johannes Dyba, das Volksbegehen „überflüssig wie der Kropf im Nacken” bezeichnete, wundert weniger. Daß aber auch aufgeschlossene Bischöfe (zum Beispiel Kamphaus, Limburg, oder Lehmann, Mainz) oft in massiver Form gegen die Anliegen des Volksbegehrens Stellung nehmen, überrascht einigermaßen.

Denn in Osterreich ist nach dem Erfolg des Kirchenvolks-Begehrens doch bei einigen Bischöfen eine Dialogbereitschaft entstanden.

Ähnlich steht es mit der offiziellen Laienvertretung, dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Auch von dessen Präsidentin Rita Waschbüch waren nur ablehnende Worte zu hören. Sollte sich nun ein ähnlicher Erfolg wie in Österreich einstellen, darf man gespannt sein, wie man sich danach aus der Affäre ziehen und auf den fahrenden Zug aufspringen wird.

Hans Küng ist einer der prominentesten Initiatoren. Er blieb dem organisierten Laienapostolat nichts schuldig: „Wir haben genug Räte, Synoden, Versammlungen, Foren, Kommissionen und Pastoralgespräche, aber keine Resultate.”

Obwohl in den meisten Diözesen Erlasse an die Pfarren ergangen sind, keine Unterstützung zu gewähren, und obwohl das oberste Laiengremium ZdK sich ebenfalls negativ äußerte, werden solche Verbote generell nicht durchgesetzt werden können. Viele Pfarren werden sich ihre Haus-recht-Kompetenz nicht nehmen lassen, und einige Katholische Verbände sind aus der ZdK-Linie bereits ausgeschert (zum Beispiel Jugend und Arbeitnehmer).

Mit Spannung und Interesse wird man auf das Ergebnis Mitte November warten. Wie immer es aussieht, an der Diskussion um die fünf Punkte des Volksbegehrens wird man in der Kirche auch in Zukunft nicht vorbeikommen.

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