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Minimalbeteiligung als Erfolg verbuchen?

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Die Bilanz des deutschen Kirchenvolksbegehrens fallt je nach Sichtweise unterschiedlich aus. Die Autorin dieses Beitrages ist eher enttäuscht.

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Die Bilanz des deutschen Kirchenvolksbegehrens fallt je nach Sichtweise unterschiedlich aus. Die Autorin dieses Beitrages ist eher enttäuscht.

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Das also wars!, möchte man -zwischen spontaner Enttäuschung und leiser Wut pendelnd - das Volksbegehren der deutschen Katholiken kommentieren. 28 Millionen Deutsche sind - zumindest auf dem Papier - Mitglieder der katholischen Kirche. 1,8 Millionen haben in den vergangenen acht Wochen dieses Volksbegehren unterschrieben. 80 Prozent davon sind Katholiken, also rund 1,4 Millionen. Und das ergibt eine Wahlbeteiligung von etwa fünf Prozent.

Muß man den Fatalismus von Politikern haben, um diese Minimalbeteiligung als Erfolg zu verbuchen? Oder ist das, angesichts des allgemeinen, weit verbreiteten und zunehmenden Desinteresses an eben dieser Kirche, so wenig auch wieder nicht, wenn 1,4 Millionen Gläubige Reformen fordern und diese Forderung per Unterschrift bekräftigen? Dagegen zu halten wäre freilich, daß es in Bayern jüngst jenen politisch und populistisch geschickt geschürten „Volksaufstand” gegen das sogenannte Kruzifixurteil des Karlsruher Verfassungsgerichtes gab. Dagegen zu halten wäre auch jene halbe Million Katholiken, die im verhältnismäßig doch kleineren Österreich unterschrieben haben. Der dortigen Aktion freilich war ein handfester innerkirchlicher Skandal vorangegangen und auch die höchstrichterliche Entscheidung gegen das zwangsweise Anbringen von Kreuzen in bayerischen Schulstuben wurde rasch zu einem Skandal hochstilisiert. Womit zweifellos der Erfolg' eines öffentlichen Protestes vorprogrammiert war.

Wo nun läßt sich der Skandal ansiedeln, der offensichtlich nötig wäre, um auch dem Kirchenvolksbegehren nachträglich noch zu einem gewissen Erfolg zu verhelfen? Ob man - wenn die Unterschriften nicht unauffällig in einem Archiv verschwinden - diesen Skandal ausgerechnet in den kirchlichen Führungsebenen ansiedeln muß, steht noch aus. Erste Anzeichen dafür sind - leider - nicht zu übersehen: So macht etwa die Reaktion des Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, vorsichtig gesagt, zumindest betroffen. Lehmann nämlich, dessen Ansichten im Gegensatz zu denen mancher seiner Amtsbrüder, durchaus im 20. Jahrhundert anzusiedeln sind, fand für das Volksbegehren das unschöne Schimpfwort „Nabelschau”.

Kirchenvolkes keineswegs neu, das kann und darf aber nicht heißen, daß sie deswegen gegenstandslos sind. Bleiben wir, beispielsweise, beim Zölibat. Auch wenn Erzbischof Johannes Dyba (Fulda) kürzlich die kaum von einem Kabarettisten zu übertreffende Formulierung fand, nicht der Zölibat, sondern nur dessen Übertretung provoziere Skandale, so bleibt doch mancher eben dieser Skandale sowohl den reformierten als auch den orthodoxen Kirchen erspart, von der individuellen Belastung der katholisch-zölibatären Amtsträger einmal abgesehen.

Zu überlegen ist dabei nämlich durchaus die Frage, warum Christus die Führung seiner Gemeinde ausgerechnet jenem Petrus anvertraute, von dem wir das evangelisch-gesicherte Zeugnis der Verheiratung haben. Und für die so gerne als Vorbild zitierte Urkirche bleibt die Anweisung des Paulus (im zweiten Timotheus-Brief) existent, daß der Bischof verheiratet und ein guter Vorsteher seines privaten Hauswesens sein soll.

Die Forderung nach Mitsprache und Mitverantwortung der Laien -nicht nur in der organisatorischen All-tagsroutine - und der Buf nach „geschwisterlichem Umgang” wären nur dann überflüssig, hätten alle Amtsträger die längst fälligen Konsequenzen aus den Texten des II. Vatika-nums schon gezogen. Aber der jüngsten vatikanischen Verlautbarung zur Frauenordination läßt sich die „Dialogbereitschaft” wohl mühelos entnehmen. Zumal das Schreiben fristgerecht zu dem Zeitpunkt publiziert wurde, an dem das Volksbegehren abgeschlossen wurde

Vergebliche Liebesmühe also und schade um das Papier? Keineswegs -zumindest muß sich das Kirchenvolk nicht den Vorwurf machen, es hätte durch mutloses Schweigen die unumgänglichen Reformen verhindert. Die Autorin ist freie Journalistin in München.

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