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Geister in den Lüften

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Der in Österreich heuer (wegen drohender Kollision mit dem Muttertag) vom Mai in den November verlegte katholische „Weltsonntag der sozialen Kommunikationsmittel“ mag nicht wenigen Seelsorgern eher trübe Gedanken bescheren: werden doch die herkömmlichen kirchlichen Medien, nämlich Kanzelwort und Kirchenpresse, durch die im Äther rumorenden „Mächte und Gewalten“ mehr und mehr konkurrenziert.

Unwiederbringlich dahin, so hört man in katholischen Kreisen, sei die Ära Henz, in der es noch so etwas wie einen „christlichen Rundfunk“ gegeben habe, und selbst die in die Reform hinübergeretteten Kirchenressorts in Hörfunk und Fernsehen könnten an dieser Sachlage wenig ändern. Jedoch erscheinen solche Kassandrarufe doch wohl etwas verfrüht zu sein. Das neue Management im Rundfunk dürfte nämlich durchaus wissen, daß in der Bevölkerung ein mitunter sogar lebhaftes Interesse für religiöse Inhalte besteht. Man ist dortamts durchaus bereit, solchem Interesse die entsprechenden Sendezeiten einzuräumen, wenn es in mediengerechter Weise befriedigt wird.

Hier aber liegt der Hase im Pfeffer. Solange es nämlich immer noch Pfarrer gibt, die an der Tatsache vorübergehen, daß (zumindest in Wien) 80 von 100 ihrer Pfarrblätter von Menschen gelesen — oder eben nicht gelesen — werden, die nur sehr sporadische Kontakte mit Kanzel und Altar haben und die daher die elementarsten Gesetze der Publizistik unbeachtet lassen, wenn sie ihr

Blatt schreiben, solange wird sich in den Kreisen der um ihren Glauben und seine Verbreitung bemühten Katholiken unseres Landes die Erkenntnis nur äußerst mühsam durchsetzen können, daß die Empfänger der einschlägigen Massenkommunikationen vorwiegend anders gestimmt sind als die Kirchentreuen.

Tatsächlich wird nämlich heute kirchlicherseits ein überaus hoher Prozentsatz der (vornehmlich aus den Kirchenbeiträgen) zur Verfügung stehenden Gelder und der persön liehen Arbeitskraft der Seelsorger und kirchlichen Funktionäre einem Bruchteil der Bevölkerung gewid met: den Kirchentreuen. „Wenn wir weiterhin die Beiträge der Fernstehenden verwenden, um die Seelsorge an der kleinen Gemeinde der .allzeit Getreuen' zu finanzieren, so ist das Diebstahl“ — so steht es zu lesen in einem für die Vorbereitung der Wiener Diözesansj/node bestimmten Entwurf des Arbeitskreises für die „Verkündigung an die Fernstehenden.

Die „Geister in den Lüften“ werden nicht von der Kirche, sondern von den Rundfunkgebühren bezahlt, also von der österreichischen Bevölkerung (ein Drittel dacon sind regelmäßige Kirchengänger). Wenn es wünschenswert ist, daß auf diesen ■Äthenoetlen auch Sendungen mit religiösen Inhalten in — möglichst — alle Haushalte gelangen sollen, dann wird das gesamte Publikum hinkünftig zu respektieren sein, mit allen Konsequenzen.

Das Thema Zölibat wird zwar in der katholischen Presse kaum diskutiert, um so stärker aber vom Volk, und nicht nur vom katholischen. Die Horizonte“ ließen sich dazu einen Beitrag aus Deutschland schiefcen. Millionen Österreicher haben jetzt mit den Augen eines deutschen Fernsehteams und zum Teil mit den Argumenten eines österreichischen Kaplankreises die eine und nur die eine Version der Zölibatsfrage gesehen. Und das ist der größte Vorwurf, den man dieser Fernsehsendung machen kann. Sie hat nur Priester gezeigt, die an dem Zölibatproblem gebrochen sind oder im Begriff sind, daran zu scheitern. Es wurden keine Priester gezeigt, für die der Zölibat einen persönlichen Wert darstellt und die Vorbedingung ihres seelsorglichen Wirkens. Und das ist immerhin noch die übergroße Mehrheit der Priester.

Einen weiteren Vorwurf kann man speziell dem österreichischen Fernsehen nicht ersparen. Wenn dieser Bericht schon Zahlen bringt, daß angeblich jeder siebente Priester sein Amt niedergelegt habe, dann hätte man sich erkundigen müssen, wie die Dinge in Österreich liegen. Da sind sie wesentlich anders. Erfreulicherweise haben diesmal Bischöfe und Seminarleiter sehr rasch auf die?“ vollkommen einseitige Darstellt reagiert.

*

Es heißt, die Demokratie habe kein großes Geschick, ihre eigenen Feste so zu feiern, daß sie nicht nur würdig, sondern auch ansprechend sind. Das mag länderweise verschieden sein. Für Österreich scheint es aber doch im wesentlichen zuzutreffen. Keine Angst, daß wir jetzt hier die ganze Problematik um den österreichischen Nationalfeiertag aufrollen. Der Fernsehbeobachter fühlt sich nur zuständig, jenen Festakt zu beurteilen, der diesmal am Nationalfeiertag aus dem Großen Festspielhaus in Salzburg übertragen wurde.

Man hatte den genius loci von Salzburg strapaziert, und sein Name könnte auch als Motto über der ganzen Veranstaltung stehen: Bom-bastus, genannt Paracelsus von Hohenheim. Einmal fiel das Wort von der Haupt- und Staatsaktion. Vielleicht hat man an die großen Staats- und Hoffeste des Barocks gedacht, vielleicht wollte man eine solche Haupt- und Staatsaktion mit den Mitteln der heutigen Zeit für die Menschen der heutigen Zeit gestalten. Aber so geht es nicht. Wahrscheinlich geht es überhaupt nicht. Das Bombastische blieb, vom krampfhaften Bemühen bemerkte man vornehmlich nur den Krampf. Die Jugend eines Bundeslandes rief die Jugend eines anderen Bundeslandes auf und diese wieder die nächste. Die Wahrzeichen der Städte erschienen auf der Leinwand, und unten wurde volksgetanzt. Der Volkstanz hörte nimmer auf. Und am Schluß wurde die Apotheose Österreichs, der Einzug der Musikkapellen aus den einzelnen Bundesländern, angeführt vom Hanswurst.

„O du mein Österreich.“ Dabei soll nicht übersehen werden, daß einzelne Passagen durchaus sinnvoll waren und auch gut gestaltet. Aber das Ganze paßte nicht zusammen. Auch die Schauspieler müssen das irgendwie gespürt haben, die da im Biedermeierkostüm eine Handlung aus der Feenwelt darstellen sollten. Die Frau Tempus mit ihren Töchtern Perfecta, Präsentia und Futura und der Herr Austriacus mit seinen Söhnen Felix, Grant und Phlegma. So Vollblutkomiker wie Alfred Böhm und Johann Sklenka waren direkt befangen. Sie wußten nicht, wie sie sich geben sollten, und wir wußten nicht, wie wir es nehmen sollten.

Nein, so geht es eben nicht. Di Demokratie hat's schwer mit ihren Festen. Aber die Demokratie hat zumindest den Vorteil, daß man in ihr experimentieren darf. Für das nächste Jahr etwas anderes, aber bitte etwas ganz anderes.

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