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STANISLAUS STOMMA / EIN SCHATTEN VON PLURALISMUS

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Fast zehn Jahre nach Polens „Oktoberfrühling“ scheint die Entwicklung in Polen auch dem aufgeschlossenen Beobachter nicht steckengeblieben, sondern sogar teilweise rückläufig zu sein. „1956 haben wir einen großen Sprung vorwärts getan. Nachher hatte man jedoch nicht gewagt, weiterzugehen“, meint der Sejm- Abgeordnete Dr. Stanislaus Stomma, der derzeit Wien einen Besuch abstattet. Vor fast einem Jahrzehnt, am Weltkongreß der katholischen Presse 1957 in Wien, wurde auch die freundschaftliche Verbundenheit Dr. Stommas zur katholischen Presse Österreichs, besonders zur „Furche“, begründet.

In der Nähe von Wilna wurde Stanislaus Stomma 1908 geboren. In Wilna, der Stadt, die bis 1918 russisch, dann polnisch war und nach dem zweiten Weltkrieg sowjetisch wurde, studierte Stomma am Gymnasium und an der Universität, an der dann der junge Dr. juris als Assistent wirkte. Als Mitglied katholischer Organisationen kam Stomma bereits damals mit Politik in Berührung. Der zweite Weltkrieg und die deutsche Besatzung brachten die Schließung aller höheren polnischen Bildungsstätten — ein Teil des Planes zur Ausrottung und Erstickung der polnischen Intelligenz. In dieser Zeit unter richtete Stomma an den geheimen Mittelschulen.

Am Ende des Krieges übersiedelte Stanislaus Stomma vom Nordosten des alten Polen nach dem Süden, nach Krakau, das wie keine zweite Stadt die historische Verbundenheit Österreichs mit Polen repräsentiert. An der Universität Krakau übernahm er eine Dozentur für Strafrecht. Die Verbindung zur Politik hörte jedoch nicht auf: Als Chefredakteur der katholischen Monatsschrift „Znak“ und als Mitarbeiter der katholischen Wochenzeitung „Tygodnik Pows- zechny" wurde Stomma zu einem der Hauptsprecher der polnischen Katholiken. Doch der Druck des stalinistischen Regimes im polnischen „Voroktober“ wurde immer stärker, und 1953 war mit der Einstellung der katholischen Organe Stomma jede publizistische Möglichkeit genommen.

Im Oktober des Jahres 1956 kam der große Umschwung. Das nachstalinistische Regime versuchte, einen modus vivendi mit der Kirche zu finden. „Znak" und

„Tygodnik Powszechny“ konnten wieder erscheinen, und in den Sejm zogen katholische Abgeordnete ein. Seit Jänner 1957, seit den ersten Wahlen der Ara Gomulka, ist Dr. Stomma Mitglied des Sejm. Der von katholischen Abgeordneten gebildete Kreis „Znak“ — keine eigene Partei, keine Fraktion, wie die „Znak"-Leute immer betonen — wählte Stomma zu seinem Vorsitzenden. Seit Jänner 1957 kann man im Sejm immer wieder das in einem kommunistischen Staat so seltenen Ereignis erleben, daß Abgeordnete gegen Regierungsvorlagen stimmen — „Znak“ konnte seine Unabhängigkeit wahren. Wenn auch „Znak“ nur eine kleine Minderheit im Sejm ist, so glaubt Dr. Stomma doch, allein die Möglichkeit zur Kritik im Parlament, vor allem aber die Kleinarbeit in den Ausschüssen seien für die polnischen Katholiken wertvoll. „Unser Ziel ist Pluralismus im sozialistischen Staat. Unsere Anwesenheit im Sejm ist wenigstens ein Schatten von Pluralismus!“

bar an der Haltung Spaniens, Irlands und Jugoslawiens. Ferner legen Holland, Italien und Westdeutschland nicht nur den größten Wert auf das Gelingen der Kennedy-Runde des GATT mit ihren automatischen Zollermäßigungen zwischen EWG und EFTA, sondern auch auf eine schrittweise Revision der starren und ablehnenden Haltung Brüssels gegen alle Drittländer. Zuletzt protestierten sogar die Konsumentenorganisationen der deutschen Bundesrepublik gegen die verfehlte Taktik der Hallstein-Kommission, weil sie zu einer Teuerung und einer Ver ewigung der tragischen Dreiteilung des freien Europa geführt habe. Aber diese Kräfte und Tendenzen benötigen zu ihrer vollen Entfaltung noch geraume Zeit, so daß bei allen Problemen der wirtschaftlichen Integration stets mit sehr langen Fristen zu rechnen ist.

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