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Als Polen fiir Österreich war

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Am Nationalfeiertag wurde in Wien im Palais Pallavicini zum dritten Mal der mit 50.000 S dotierte Anton-Gindely-Preis für Geschichte der Donaumonarchie von der österreichischen Forschungsgemeinschaft vergeben. Der Namensgeber des Preises war

Professor an der Deutschen Universität in Prag vor 1900, zeitweise Geschichtslehrer des Kronprinzen Rudolf und wurde auf Grund seiner versöhnlichen Haltung im Nationalitätenstreit Opfer der entgegengesetzten Lager.

Die diesjährige Preisträgerin, Frau Univ.-Doz. Monika Glettler aus München, wurde für ihre zwei Werke „Die Wiener Tschechen um 1900“ und „Pittsburg-Budapest-Wien, Programm und Praxis der Nationalitätenpolitik bei der Auswanderung der ungarischen Slowaken nach Amerika um 1900“ ausgezeichnet.

Wie Univ.-Prof. Gerald Stourzh, spiritus rector des Preises, in seiner Laudatio hervorhob, sind einerseits Analysen des tschechischen Vereinswesens und anderseits sozialpsychologische Untersuchungen über Menschen im Aufbruch als hervorragende Merkmale der Arbeiten zu nennen.

Den Festvortrag hielt der emeritierte Krakauer Univ.-Prof. Stanislaw Stomma, bekannt als

führende Persönlichkeit der sogenannten „Znak“-Gruppe katholischer Abgeordneter im polnischen Sejm. Als er der neuen Verfassung die Zustimmung verweigerte, durfte er nicht mehr kandidieren.

Stomma befaßte sich mit der „österreichischen“ Orientierung der Polen während des Ersten Weltkrieges. Für ihn war der Höhepunkt der polnischen Sympathien für Österreich-Ungarn bereits im August 1914 erreicht, als polnische Verbände unter Pilsudskį ohne Wissen und Befehl Wiens in die Kampfhandlungen gegen Rußland eingriffen und sich damit auch die russische Orientierung im zaristisch beherrschten Kongreß-Polen abschwächte.

Nach Stomma war es den Polen durch teilweise Selbstverwaltung und Entfaltung ihrer nationalen Kultur möglich, ein Verbleiben im Staatsverband der Donaumonarchie als annehmbar, ja sogar erstrebenswert zu erachten. Es wurde versucht, den österreichisch-ungarischen , .Dualismus“ durch einen „Trialismus“ mit Polen zu ersetzen, was aber am Veto des ungarischen Ministerpräsidenten Tisza scheiterte.

In der Folge wurde eine Einglie-, derung Polens in den österreichischen Teil des Habsburgerreiches angestrebt. Dadurch hätte sich jedoch ein sehr starkes Übergewicht der polnischen gegenüber

Stanislaw Stomma: Franz Josef war der größte Freund der Polen in Wien (Foto:Gürer)

der deutschen Bevölkerung ergeben, wogegen sich der gemeinsame Ministerpräsident Graf Stürgkh aussprach.

Nach der teil weisen Besetzung Kongreß-Polens durch das Deutsche Reich im Jahre 1915 bemühte sich der polenfreundliche deutsche Generalgouverneur Beseler um die Bildung eines Pufferstaates unter deutsch-österreichischer Oberhoheit. Aber auch eine nochmalige österreichisch-polnische Annäherung im Herbst 1917 sowie ein weiteres Bemühen um die Schaffung eines Pufferstaates blieben ohne Erfolg. Der polnische Staat des Jahres 1918 wurde unter dem Schutz der Westmächte gebildet.

Bis heute aber bedauert man in Polen das Ende der polenfreundlichen Herrschaft der Doppelmonarchie: Dementsprechend

schloß Professor Stomma seinen Vortrag mit einem Dank an Kaiser Franz Josef, den „größten Freund der Polen in Wien“.

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