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Sieg der Wahrheit

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Polen 1945, die Zeit des religiösen Wiederaufbaues inmitten einer im umfassenden Wandel begriffenen politischen und sozialen Umwelt: In diese Situation hinein wird am 24. März in Krakau die katholische Wochenzeitung „Ty-godnik Powszechny” - also die .Allgemeine Wochenzeitung” — gegründet. Einer der Gründer ist Erzbischof Sapieha, ein anderer Jerzy Turowicz, seit vier Jahrzehnten auch Chefredakteur, wohl eine der herausragendsten Journalistenpersönlichkeiten unserer Tage — und das nichf nur an der Weichsel, sondern in Europa überhaupt.

Zwei Dinge sind „Tygodnik Powszechny” über all die Jahre und Entwicklungen hinweg „treu” geblieben: der Papiermangel und die Zensur.

Papiermangel ist es, der die Zeitung der katholischen Intellektuellen Polens beschränkt: Nur zwischen 60.000 und 70.000 Exemplare können aufgelegt werden, doch die Leserschaft geht in die Millionen. Gelesene Nummern werden zur Weiterverbreitung zurückgegeben, Exemplare werden kopiert, einzelne Beiträge mit der Hand abgeschrieben.

„Tygodnik Powszechny”, das ist die — wahrscheinlich einzige — Zeitung von Format, die Stalin den Nachruf verwehrte. Das ist die Zeitung, die zuvor mutig das Wort ergriff, als die Glaubensfreiheit per Verfassung gefesselt werden sollte. Das ist die Zeitung aber auch, die aus der Zeit der unerbittlichen Liquidation der katholischen Publizistik in den Jahren der Kirche des Schweigens gestärkt herausgegangen ist.

Und das ist schließlich jene Zeitung Polens, der heute Vertrauen geschenkt wird, der geglaubt wird. „Tygodnik Powszechny” — und Jerzy Turowicz sorgte und sorgt dafür - bürgt für Bekenntnis und Geradlinigkeit. Das heißt: der Wahrheit verpflichtet, keinerlei Anbiederung und Schmeichelei verdächtig.

„Tygodnik Powszechny”, das ist aber auch jene Zeitung, in deren Redaktion Karol Wojtyla Stunden und Nächte mit den Mitarbeitern diskutierte, in der er früher auch publizierte. Und die fruchtbaren Beziehungen, die es zum Bischof von Krakau gab, sind auch zum Bischof von Rom nicht abgerissen. Auch das läßt die Sonderstellung begreifen, die „Tygodnik Powszechny” heute in Polen zukommt.

Wo es an materiellen Gütern mangelt, nimmt das Interesse an Geistigem zu. Der Druck von oben, der ausgeübt wird, tötet nicht, sondern läßt ungeahnte Energien wachsen. Das macht den Erfolg von „Tygodnik Powszechny” aus, das ist aber im Jubiläumsjahr auch Hoffnung für die Zukunft.

Die freundschaftlichen Beziehungen der FURCHE und der katholischen Publizistik Österreichs reichen bald drei Jahrzehnte zurück. Sektionschef Kurt Skalnik, seit 1949 bei der FURCHE, die er dann zwischen 1963 und 1968 geleitet hat, erinnert sich noch heute bewegt an den Weltkongreß der katholischen Presse 1957 in Wien, „ein Jahr nach dem polnischen Frühling, der so große Hoffnungen geweckt hat”, der am Beginn der Kontakte stand. Besser: am Beginn einer Freundschaft über Grenzen hinweg.

„Es kam da nicht nur zu platonischen Sympathiebezeugungen, sondern konkret auch zu einem Austausch von Redakteuren”, weiß Skalnik zu berichten, wofür Kollege Suzul als Beispiel steht, der als FURCHE-Gastredakteur tätig war. Dazu kommt eine persönliche Freundschaft, allen voran mit Turowicz, aber auch mit Stanislaw Stomma und Wladys-law Bartoszewski.

„Turowicz war immer stärker dem französischen Geistesleben verbunden, Stomma hingegen in seiner Mentalität und in seinem historischen Verständnis eher mit Wien und Österreich.” Womit Skalnik auch eine weitere Dimension der Bedeutung von „Tygodnik Powszechny” darlegt: Zur „Vertiefung der katholischen Geistigkeit und des Geisteslebens” in Polen kommt die Funktion als „der Brückenkopf zum Geistesleben des Westens” in Kirche und Welt.

Skalnik denkt noch oft an seine persönlichen Begegnungen zurück. Und sein Wunsch ist, „daß diese engen persönlichen und geistigen Beziehungen, an denen ich mitarbeiten konnte, auch von einer nachfolgenden Generation gepflegt werden”. Ein Wunsch, dem sich die FURCHE auch für die Zukunft verpflichtet fühlt.

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