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Weit über Tirol hinaus: Tyrolia

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Die Verlagsanstalt Tyrolia verdankt ihre Entstehung der Gründung einer Zeitung. Der Gründer und langjährige Präsident der Verlagsanstalt Tyrolia, Prälat Hofrat Dr. Aemilian S c h o e p-f e r, hat wiederholt erzählt, wie scheinbar zufällig sein Lebenswerk entstanden ist. Brixen besaß keine eigene Zeitung. Da beschloß im Jahre 1888 ein Kreis von politisch und religiös interessierten Männern der alten Bischofsstadt am Eisack die Herausgabe einer Wochenzeitung, der „Brixener Chronik“. Bald wurde auch eine eigene Druckerei errichtet, um so die wirtschaftliche Seite besser meistern zu können. Die organisatorische Grundlage fanden diese LInternehmungen in dem „katholisch-politischen Preßverein“ Brixen, der die Keimzelle der späteren Verlagsanstalt Tyrolia werden sollte.

Im Mittelpunkt dieser Bestrebungen standen die Brixener Theologieprofessqren Dr. Schoep-i e r, Dr. Sigmund W a i t z (der spätere Fürsterzbischof von Salzburg), Dr. H i 1 b e r und Msgr. Sebastian R i e g e r, der dann unter dem Namen „Reimmichl“ weitbekannte Tiroler Hei-matschriftsteller. Es war ein Kreis von Männern, der bereits damals die geistigen Erschütterungen, die sich in Europa anbahnten, erkannte und willens war, in den geistig-kulturellen und sozialen Auseinandersetzungen, die sich bedrohlich für Kirche und Staat offenbarten, die Presse als Machtfaktor einzusetzen.

Erfreulich rasch entfaltete sich der Preß-yerein Brixen; eine Buchhandlung wurde gegründet und im Jahre 1892 der „Tiroler Volksbote“ ins Leben gerufen. Auch in Bozen schuf

Professor Dr. Schoepfer einen „Preßverein Tyrolia“ mit der Zeitung „Der Tiroler“. Der Gedanke einer Vereinigung der beiden Preßvereine bot sich bald an. So wurde im Jahre 1907 die Verlagsanstalt Tyrolia Ges. m. b\ H. mit dem Sitz in Brixen gegründet. Die Verlagsanstalt übernahm die Unternehmungen der beiden Preßvereine und gründete eine Filiale in Innsbruck mit eigener Druckerei und dem Tagblatt „Tiroler Anzeiger“. An der Wiege der Tyrolia stand also kein kommerzieller Gründungsentschluß, sondern die Erkenntnis einer geistig-kulturellen Aufgabe, die die weitere Entwicklung und Entfaltung des Unternehmens bestimmen sollte. Diese Aufgabe hat der Tyrolia das Gepräge gegeben und ist ihr bis auf den heutigen Tag Verpflichtung geblieben.

Die junge Verlagsanstalt nahm einen raschen Aufschwung. Die bestehenden Unternehmungen wurden ausgebaut, neue Geschäftsstellen gegründet und Gesellschafter wie Gesinnungsfreunde des Unternehmens bildeten eine treue Tyrolia-Gemeinde, beseelt von dem festen Willen, die ideellen Zwecke der Tyrolia tatkräftig zu fördern. Doch nicht lange sollte die friedliche Entwicklung anhalten. Durch die Kriegsereignisse bedingt, erfolgte 1915 die Verlegung der Zentralleitung von Brixen nach Innsbruck. Damit begann gleichzeitig ein neuer Abschnitt in der Geschichte der Tyrolia, denn dieser Schritt bedeutete mehr als bloß lokale Verschiebung, gab er doch zugleich den Anstoß zur Ausgestaltung des Buchverlages.

Einige neue Unternehmungen waren es, die den Namen „Tyrolia“ rasch über das engere Heimatland Tirol hinaustrugen und dem Verlag Ansehen und Geltung im gesamten deutschen Sprachgebiet verschafften: die Errichtung von Zweigstellen in München und Wien und die Gründung der kulturpolitischen Wochenschrift „Das Neue Reich“, die im katholischen Geistesleben bald eine führende Stellung behaupten sollte.

Der unglückselige. Friedensschluß von Saint Germaih hatte schwerwiegende Folgen auch für die Verlagsanstalt Tyrolia. Die Absperrung der Brennergrenze verwehrte den Nordtiroler Zeitungen den Weg nach Südtirol. So gründete die Tyrolia in Bozen einen eigenen „Südtiroler Volksboten“, der zusammen mit dem Tagblatt „Der Tiroler“ im Kampf um die Erhaltung des Deutschtums vorbildlich gewirkt hat. Auch sonst fehlte es nicht an Schwierigkeiten, denn unter dem Druck des Faschismus hatte die Tyrolia schwerste Anfeindungen zu erleiden. Er duldete in Südtirol keine „Verlagsanstalt Tyrolia“ mehr und so mußte sie zunächst den Namen in „Vogelweider“ umbenennen und, als auch dieser nicht mehr gestattet war, die Firmenbezeichnung „Athesia“ annehmen.

Einen Markstein in der Geschichte der Tyrolia bildete das Jahr 1925. Die politische Situation erzwang die Trennung der Unternehmungen in Nord- und Südtirol. Für die Nordtiroler Unternehmen und Betriebe wurde die „Verlagsanstalt Tyrolia AG.“ mit dem Sitz in Innsbruck gegründet, während die Südtiroler Betriebe als selbständige Gesellschaft weitergeführt wurden. An die Spitze der Südtiroler Tyrolia trat Kanonikus Michael Gamper, der das Unternehmen bis zu seinem kürzlich erfolgten Tod führte und als Kämpfer für Südtirol der „Getreue Ekkehard“ dieses Landes wurde.

Die Tyrolia in Nordtirol durfte sich trotz der schmerzlichen Trennung eines weiteren raschen Aufstieges erfreuen. Der Ausbau des Buchverlages, die Schaffung einer modernen großen Buchhandlung in Innsbruck, die Ausgestaltung des technischen Betriebes und die Gründung weiterer Geschäftsstellen und mehrerer Zeitschriften' kennzeichen diesen Weg.

Doch nur wenige Jahre sollte dem Unternehmen ein ruhiger wirtschaftlicher Aufstieg gegönnt sein. Die Gewitterwolken des Nationalsozialismus zogen am politischen Horizont auf und brachten schwere Zeiten für die Tyrolia. Unentwegt trat diese mit ihrer Presse und ihrem Schrifttum für die Erhaltung der Selbständigkeit Oesterreichs ein und bekämpfte unerschrocken den Nationalsozialismus und seine Ideologien. Auch der öffentlich propagierte Boykott gegen die Tyrolia-Unternehmungen und Gewalt- und Terrorakte, wie ein schwerer Sprengstoffanschlag auf das Druckereigebäude, konnten die Tyrolia in ihrer Haltung nicht beugen. Als unerschrockener Kämpfer für die Güter des Glaubens und der Freiheit sind die Tyrolia-Blätter bis zum letzten Augenblick ihrer Aufgabe treu geblieben. Erst in der Umbruchnacht vom 11. März 1938 wurden ihre Zeitungen zum Schweigen gebracht. Die Betriebe der Tyrolia wurden gewaltsam besetzt und die Leitung des Linternehmens einem kommissarischen Verwalter übertragen, während die rechtmäßigen Mandatare unverzüglich ihrer Punktion enthoben und teilweise in Haft gesetzt wurden. Der Versuch des Kommissars, in einer außerordentlichen Generalversammlung einen Auflösungsbeschluß der Gesellschaft herbeizuführen, scheiterte am Widerstand der Gesellschafter. So erklärte der Kommissar aus eigener Machtvollkommenheit die Verlagsanstalt Tyrolia für aufgelöst. Der von der Generalversammlung gegen diesen Gewaltakt des Kommissars erhobene Protest blieb erfolglos. Um die Unternehmungen der Verlagsanstalt Tyrolia seinen persönlichen Interessen dienlich zu machen, gründete der Kommissar den „Deutschen Alpenverlag“, der fortan mit den Betrieben und Vermögenschaften der Tyrolia nach eigenem, angemaßtem Gutdünken schaltete und waltete,

Erst im Jahre 1945, nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus, konnte die Verlagsanstalt Tyrolia die Aufbauarbeit wieder beginnen. Trotz schwerster Schädigungen, die das Linternehmen durch die Einbuße fast ihrer gesamten Vermögenschaften und die Auflösung des Verlages während der NS-Zeit erlitten hat, hat sich die Tyrolia inzwischen wieder zu einer der leistungsfähigsten Verlagsanstalten Oesterreichs emporgearbeitet. Das Verlagsprogramm umfaßt das theologisch-philosophische Werk wie das religiöse Erbauungsbuch, Werke der Kunstgeschichte wie der schöngeistigen Literatur, das wissenschaftliche Werk neben dem guten Volksbuch.. Mit über 300 Buchveröffentlichungen seit 1945 hat die Tyrolia ihr Gepräge als moderner katholischer Verjag erneut bekundet. Auch das Pressewesen steht wieder mit an vorderster Stelle der Aufgaben. „Der Volksbote“ hat seit seinem Wiedererscheinen im. Jahre 1946 an Bedeutung gewonnen und ist weit über das ursprüngliche Verbreitungsgebiet Tirol hinausgewachsen und so zum volkstümlichen Sprachrohr der Katholiken Oesterreichs geworden. Er darf es auch für sich in Anspruch nehmen, durch seine Unterschriftenaktion für den 8. Dezember den Anstoß zur Wiedereinführung dieses kirchlichen Festes als staatlicher Feiertag gegeben zu haben.

Nur kurz erwähnt seien die innerbetrieblichen Sozialeinrichtungen des Unternehmens. Ein firmeneigener Pensionszusatzfonds hilft die wirtschaftliche Existenz der Mitarbeiter und ihrer Familien für Zeiten des Alters und der Erwerbsunfähigkeit sichern und eine Erfolgszulage läßt die Mitarbeiterschaft am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens teilnehmen. Eine freiwillige Kinderzulage trägt dem Familiengedanken Rechnung. Diese Einrichtungen sind aus dem Geiste einer christlich-sozialen Haltung entsprungen und sollen dazu beitragen, die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Mitarbeiterschaft zu vertiefen. Die „Tyrolia-Haus-blätter“, ein Ausspracheorgan für die gesamte Mitarbeiterschaft, setzen sich im besonderen für die Pflege des Gemeinschaftsgedankens ein.

Aus bescheidenen Anfängen ist die Verlagsanstalt Tyrolia zu einem Unternehmen emporgewachsen, das sich seinen Platz im Geistesleben Oesterreichs und Deutschlands errungen hat. Das Emporblühen aus kleiner Wurzel ist Zeugnis dafür, daß die Verlagsanstalt Tyrolia nicht nur Dolmetsch starker, gesunder Ideen und hoher Ideale ist, sondern auch einen festgefügten wirtschaftlichen Organismus darstellt, der sich den Erfordernissen der Zeit gegenüber gewachsen erweist. Gottes Segen war ihr steter Wegbegleiter, möge er es auch in Zukunft bleiben.

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