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Ein Bogen der Gemeinsamkeit

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Wenn Etsch und Donau auch zwei verschiedenen Meeren zuströmen, so wölbt sich doch ein breiter Bogen der Gemeinsamkeit zwischen dem südlichen Teil Tirols und dem ostwärts geöffneten Wiener Becken. Schon der Bayernherzog Tassilo gründete Innichen und Kremsmünster 769 und 777 mit gleichen Zeitsetzungen. 906 fiel der Brixner Bischof Zacharias im bayerischen Heerbann bei Preßburg beim Schutze Wiens und der Donaulande, und 1363 verbanden sich Tirol und das Haus Österreich in nachhaltiger Weise. Immer wieder kamen Tiroler nach Österreich und trugen bei zur Erfüllung der deutschen und europäischen Aufgabe und ging ebenso viele Befruchtung von der Donau über die Berge ins Südtiroler Dolomitenland. Bei vielen heute blühenden Institutionen Österreichs wirkten Tiroler mit — so Paul Troger aus Welsberg und Michelangelo Unterberger aus dem Fleimstal — als Direktoren der Akademie der bildenden Künste, Johann Gänsbacher aus Sterzing war Domkapellmeister von St. Stephan, und aus der alten Wipptaler Stadt stammte auch der Burgtheaterschauspieler Friedrich Mitterwurzer durch seinen Vater. Aus dem Pustertal stammte der berühmte Wiener Anatom Dr. Carl Toldt und aus dem Bozner Unterland der Begründer der modernen Metereologie und Wetterkunde Österreichs, Dr. Josef Pernter. Aus der Reihe bedeutender Juristen und Beamter, die von Südtirol nach

Wien und Österreich gekommen sind, sei nur der vor 100 Jahren verstorbene Pustertaler Hans von Per-thaler erwähnt, der 1848 und darauf zur heutigen und damaligen Situation Europas und der Welt gültige Erkenntnisse äußerte, die erinnerns-wert gerade bei einem Zeitungsjubiläum sind.

Österreichs Weltstellung umschrieb Perthaler damals ungemein prägnant: „Österreich ist darum das einzige Kaisertum, weil es die Elemente, die im übrigen Europa für sich stehen, verbindet, und weil es seine europäische Macht im Sinne einer gewaltigen Zügelung führt. — ttotanifett

Österreichs Politik ist keine partikuläre Politik: Seine Politik hat seine Sphäre in einer höheren Einheit, es hat die übernationale Stellung, die Nationen zu verbinden. — Österreich ist Europas beschwichtigende Macht, sie ist eine vermittelnde, schiedsrichterliche, weil es keiner Partei angehört und doch das Interesse aller versteht. Daher sein Wahlspruch: Kraft und Recht, Kraft im Recht. Diese Kraft gewinnt Österreich aus der Kraft der einzelnen Elemente, die es großartig verbindet“

Perthaler war überzeugt: „Österreich ist ein kleines Europa... Es braucht den ganzen Ernst einer tüchtigen Gesinnung, um dem europäischen Interesse manches Nationale zu opfern, es gehört große Treue und Biederkeit und ein unerschütterliches Vertrauen dazu, es gehört endlich eine hohe Einsicht dazu, um diese übernationale Stellung zu fassen, die überdies nie für den Augenblick Dank und Anerkennung findet, die überhaupt erst dann bemerkt wird, wenn die Resultate ihrer beharrlichen Mühen zutage treten.“ Gilt dies unter geänderten Vorzeichen nicht auch für das heutige Österreich und das von Österreich abgetrennte Südtirol? Auch für unsere Blätter, „Die Furche“ und die „Dolomiten“.

Das gemeinsame Patrimonium geistigen Besitzes, dessen Bewahrung, Entfaltung und Nützung das Anliegen der „Dolomiten“ in Bozen wie der „Furche“ in Wien ist, reicht weit zurück und ist vielfältig. 20 Jahre ist es her, seit die „Furche“ gegründet wurde, 20 Jahre auch, seit die „Dolomiten“ wieder zu erscheinen begannen. Zwei Persönlichkeiten sind es, welche die Verbindung mit der Zeit vorher knüpften und Bahnbrecher in verwandelten Verhältnissen und in eine neue Zeit waren: Friedrich Funder und Kanonikus Michael Gamper. Ihre persönliche Verbundenheit reichte zurück ins alte Österreich, in die christlich-soziale Ära, in der die Verlagsanstalten „Herold“ in Wien und „Tyrolia“ in Brixen (der Vorgängerin der heutigen „Albesis“) entstanden, als der Reichstagsabgeordnete Prälat Aemi-lian Schöpfer aus Brixen Anwalt Tirols im Reichsrat und des Gesamtstaats in Tirol war.

Staatsrat Dr. Friedrich Funder und Kanonikus Michael Gamper erlebten zuerst den Zusammenbruch des Habsburgerreiches und dann den scheinbaren Untergang — der eine des Staates, der andere seiner Volksgruppe — durch Nationalsozialismus und Faschismus und durften doch das Banner der Freiheit und Zukunft wieder aufziehen, Sämänner einer aufsteigenden Entwicklung sein. So sind „Furche“ und „Dolomiten“ durch diese beiden großen Männer und persönliche Beziehungen zwischen den Redaktionen verbunden. Darüber hinaus aber ist es der Geist, der beide Blätter verbindet: zur Arbeit für Katholizität und Europa, Freiheit und Menschenwürde.

Mit einem Dank an die „Furche“ für das realistische und mutige Verständnis, das Südtirol und seine Probleme stets in ihren Spalten gefunden haben, verbinden wir das Bewußtsein weiterer guter Weggemeinschaft in der Arbeit für die Verständigung und das Verständnis der Volksgruppen, Völker und Staaten im Geiste gegenseitiger Achtung und Anerkennung, und für die Verwirklichung einer europäischen und weltumspannenden Gemeinschaft aller Menschen guten Willens.

Dr. TONI EBNER Chefredakteur der „Dolomiten“

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