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Im Dienst des Wortes

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Bücher, die sich mit den Sinnfragen des Lebens befassen, sind wieder im Kommen. Sie werden auch von kirchenfemen Christen verstärkt gelesen. Diese Feststellung machte im Vorjahr das Börsenblatt des deutschen Buchhandels bei einer Analyse des Lesermarktes. Es fuhr fort: „Man kann diese erstaunliche Rehabilitierung religiöser Innerlichkeit nicht verstehen, ohne den inzwischen meßbar gewordenen Zusammenbruch des Fortschrittglaubens in Betracht zu ziehen. Hier kündigt sich eine tiefgreifende Veränderung des Wertsystems an, die durchaus als eine Tendenzwende bezeichnet werden kann. In dem Maß, in dem die säkulare Heilserwartung enttäuscht wird, wächst die Bereitschaft, sich anderen Glaubensbotschaften zu öffnen. Wir müssen annehmen, daß das Buch in diesem Prozeß der Umorientierung eine entscheidende Rolle spielt.“

Dieses Zitat stellte Tyrolia-Gene- raldirektor Dr. Georg Schiemer in den Mittelpunkt seiner Feststellungen, als am Donnerstag die neugestalteten Räume der Buchhandlung des Tiroler Pressvereins am Stephansplatz durch Kardinal König eingeweiht und ihrer Bestimmung übergeben wurden. Daß damit innerhalb weniger Wochen das dritte Ereignis dieser Art ablief, mag demonstrieren, daß Österreichs katholische Verleger ihre Aufgabe im Dienst am Wort erkannt haben und gewillt sind, diese Tendenzen zur Kenntnis zu nehmen.

Fast neunzig Jahre seit der ersten Initiative in Brixen, 60 Jahre Tyro- lia in Wien, 30 Jahre Dom-Verlag und etwa ebensolang seit der Verselbständigung der Wiener Herder-Niederlassung - Jubiläen sind angenehme „Aufhänger“, der Öffentlichkeit auch neugestaltete Räumlichkeiten zu präsentieren.

Als 1888 einige geistliche Professoren in Brixen beschlossen, eine Zeitung herauszugeben und einen katholischen Pressverein ins Leben zu rufen, da lag diesem Beschluß die Erkenntnis zugrunde, daß in der geistigen Auseinandersetzung auch von der Kirche alle Medien eingesetzt werden müßten, um dem christlichen Standpunkt in der öffentlichen Meinung Geltung zu verschaffen - eine Aufgabe, an der sich auch neunzig Jahre später im Prinzip nichts geändert hat. 1907 - vor 70 Jahren - fusionierten Brixen und Bozen ihre Pressvereine in der gemeinsamen „Tyrolia“ (aus der sich nach der Abtrennung Südtirols die irAthesia“ in Bozen herauslösen mußte). Schon 1892 war der „Volksbote“ erstmals erschienen, aus dem vor einigen Jahren „präsent“ wurde. 1917 entstand die Tyroliabuch- handlung am Stephansplatz.

‘Ein Menschenalter später galt es, eben dieser Stelle die geistige Erb schaft des unter gegangenen Regimes zu liquidieren. Hier war es Prälat Jakob Fried, der unmittelbar nach Kriegsende daran ging, wieder eine kirchliche Presse aufzubauen. Die erste Nummer des „Wiener Kirchenblattes“ erschien am 21. Oktober 1945, nur wenige Wochen vor der ersten FURCHE. Der „Wiener Dom-Verlag“ konsolidierte mit seiner Gründung im März 1947 diese Bemühungen. Nach der Fusionierung mit dem Verlag Herold verlegte Generaldirektor Konrad Niedermaier 1976 den Sitz aus der Seilerstätte in die Strozzigasse.

„Die Strozzigasse“, in der durch 30 Jahre auch die FURCHE redigiert worden war, hat in diesen Monaten ebenso eine tiefgehende Renovierung erlebt wie die Buchhandlung Herder in der Wollzeile und die Tyrolia-Buchhandlung am Stephansplatz. Was Tyrolia-Chef Schiemer sagte, gilt für sie alle: „Die Verlagsanstalt Tyrolia hat seit ihrer Gründung ihre vornehmste Aufgabe in der Herausgabe und Verbreitung des guten Schrifttums erkannt. Bei allem Bemühen um die Festigung der wirtschaftlichen Grundlagen haben wir doch stets der geistigen Aufgabe den Vorrang zuerkannt. Durch Presse und Buch wollen wir aus christlicher Verantwortung unseren Beitrag zur Mitgestaltung des öffentlichen Lebens unserer Heimat leisten.

Buch und Presse bilden auch heute die Grundlagen unserer Arbeit, für uns sind Büch und Presse nicht wertfrei. Wir alle wissen um die Macht des Wortes, des gesprochenen wie auch des geschriebenen Wortes. Das Buch kann zum Freund und Helfer des Menschen werden. Wir wissen aber auch um die Gefährdung durch das Buch. Bücher können führen, aber auch verführen. Sie können aufbauen oder zerstören. Und sie können und sollen letztlich helfen, uns den Weg zu weisen zu unserem Ziel“

Und weiter: „Wir sind uns bewußt, daß unsere Haltung und die Ausrichtung unserer Buchhandlungen nicht nur Zustimmung findet, sondern auch Widerspruch auslöst. Wir nehmen dies hin, auch wenn dies materiellen Verzicht bedeutet. Gerade in der heutigen Zeit der Verunsicherung und Infragestellung gültiger Wertordnungen, in einer Zeit, in der sich deutlich im gesellschaftspolitischen Bereich eine Verschärfung der Auseinandersetzung abzuzeichnen beginnt, erscheint uns eine klare Grundsatzhaltung dringlich geboten. Wir wollen uns nicht arrangieren und nach dem Geschmack der Straße orientieren, sondern für unsern Auftrag engagieren. Wir glauben nicht, durch billige Konzessionen an den ,Zeitgeist’ Fortschrittlichkeit demonstrieren zu müssen.“ .

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