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Wiener „Konstruktionen“

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Planung, so entnimmt man dem „Großen Brockhaus“, liegt vor, „wenn die Hauptstadien des Verlaufs oder die Grundzüge der Ordnung vorweggedacht werden; statt sie dem Zufall, dem unmittelbaren Gefühl oder dem glücklichen Einfall zu überlassen“. Es erscheint recht reizvoll, verschiedene Bauvorhaben der Gemeinde Wien an dieser Definition der Planung zu messen.

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Planung, so entnimmt man dem „Großen Brockhaus“, liegt vor, „wenn die Hauptstadien des Verlaufs oder die Grundzüge der Ordnung vorweggedacht werden; statt sie dem Zufall, dem unmittelbaren Gefühl oder dem glücklichen Einfall zu überlassen“. Es erscheint recht reizvoll, verschiedene Bauvorhaben der Gemeinde Wien an dieser Definition der Planung zu messen.

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Am 21. Mai 1970 beschloß der Wiener Gemeinderat die Errichtung eines Hallenstadions in der Engerth-straße dm 2. Bezirk. Dieses überdachte Stadion soll neben einer 250-m-Radrennbahn eine komplette Leichtathletikanlage enthalten. Diese umfaßt vier Laufbahnen ä 200 Meter, eine 600 Meter lange Sprdnterstrecke, eine Weit-, Hoch- sowie Kugelstoßanlage und Plätze für Basket-, Hand-und Fußballturniere. Massage- und Saunaräume komplettieren das neue Sportzentrum.

Maximal 9300 Besucher werden sich an athletischen Darbietungen erfreuen, den Radrennfahrern soll endlich eine das ganze Jahr hindurch benutzbare Halle geboten werden. Endgültig vorbei scheint die Zeit, da österreichische Radrennfahrer in Preßburg trainieren und dort ihre Staatsmeisterschaften abhalten mußten.

Blendet man sechs Jahre zurück, trübt sich allerdings die momentan herrschende Freude. Im Jahre 1964 — die Holzradirennbahn in der Wiener Stadthalle begann gerade im Keller zu vermodern — faßte der Gemeinderat den Grundsatzbeschluß, eine neue Radrennbahn zu errichten. Bereits 1968 wurde der von Architekt Holk ausgearbeitete Plan, eine nicht überdachte Radrennbahn zu erbauen, genehmigt. Die Gesamtkosten wurden auf 40,5 Millionen Schilling veranschlagt. Das Projekt, ob seiner Schönheit und Zweckmäßigkeit hoch gelobt, erhielt im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen in Mexiko als „olympiafähiges Objekt“ einen Preis. Unverzüglich wurde mit den Vorarbeiten begonnen. Nachdem man 500.000 Schilling für die Statik, 200.000 Schilling für Versuche im Wdndkanal, 1,5 Millionen Schilling als Architektenhonorar, 80.000 Schilling für die Bodengutachten, 50.000 Schilling für akustische Experimente sowie weitere 100.000 Schilling für verschiedene Untersuchungen investiert hatte, das Projekt also „voll im Laufen“ war, wurde es verworfen. Berechnungen der Baukosten durch die Baubehörde ergaben eine Endsumme von 100 Millionen Schilling. Und das schien den Stadtvätern zu teuer. Eingeweihte allerdings führen den Baustopp nicht auf die hohen Kosten, sondern auf „die damals herrschende, sehr komplexe Situation, die heute nicht mehr rekonstruierbar ist“, zurück. Nach endgültigem Scheitern des Projekts wurde Prof. Schwanzer beauftragt, neue Pläne zu entwerfen. Das geschah just zu der Zeit, als anläßlich der 50-Jahr-Feier „Wien als Bundeshauptstadt“ Prof. Schwanzer für eine dreimonatige Ausstellung einen Pavillon über den Donaukanal um ungefähr 25 Millionen Schilling errichten sollte, dieses Ausstellungsprojekt jedoch am Einspruch der ÖVP scheiterte.

Für die Pläne zur Errichtung einer Radrennbahn erhielt nunmehr Professor Schwanzer zwar ordnungsgemäß ein Honorar, die Planung jedoch wurde neuerdings abgelehnt. Am 12. September 1969 faßte der Wiener Gemeinderat nun einen neuerlichen Grundsatzbeschluß, ein Radsportzentrum zu schaffen. Als Kosten wurden diesmal bereits 50 Millionen Schilling veranschlagt. Inzwischen soll das nunmehr von Architekt Koss geplante Hallenstadion bereits 70,1 Millionen Schilling kosten. Die Baudauer soll zwei Jahre betragen, hängt „allerdings von der Finanzierung ab“. Noch heuer will man mit dem Bau beginnen. Wie heißt es doch im Brockhaus: „Wenn die Grundzüge... vorweggedacht werden...“ In Wien schafft all das ja der Steuerzahler.

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