"Haben Todesängste ausgestanden"

19451960198020002020

Mitten unter Muslimen leitetet Jacques Mourad das Kloster Mar Elian in der syrischen Stadt Kajatajn. Am 21. August machten Bulldozer des IS das 1500 Jahre alte Kloster dem Erdboden gleich. Fünf Monate befand sich Mourad in den Händen der IS-Terrormiliz.

19451960198020002020

Mitten unter Muslimen leitetet Jacques Mourad das Kloster Mar Elian in der syrischen Stadt Kajatajn. Am 21. August machten Bulldozer des IS das 1500 Jahre alte Kloster dem Erdboden gleich. Fünf Monate befand sich Mourad in den Händen der IS-Terrormiliz.

Werbung
Werbung
Werbung

Er war Superior des Klosters Mar Elian in der westsyrischen Stadt al-Karjatajn. Jacques Mourad war von 21. Mai bis 10. Oktober 2015 in den Händen des IS interniert. Das Kloster aus dem fünften Jahrhundert wurde am 21. August 2015 dem Erdboden gleichgemacht. Der syrischkatholische Ordensmann wurde von anderen Christen aus der Haft ins unbesetzte Syrien geschmuggelt. Aus Sicherheitsgründen lebt Jacques Mourad im libanesischen Exil und hofft auf seine baldige Rückkehr in die Heimat.

DIE FURCHE: Pater Jacques, haben Sie sich seit Ihrer Befreiung aus den Fängen des "Islamischen Staates" wieder erholt?

Jacques Mourad: Gottlob geht es mir in der Tat wieder gut - vor allem gesundheitlich.

DIE FURCHE: Ein Foto aus Ihrer IS-Gefangenschaft zeigt Sie in einem Saal mit vielen christlichen Geiseln - darunter befanden sich auch einige 12- bis 14-jährige traumatisierte Buben. Wie haben Sie ihnen in diesen schweren Monaten beistehen können?

Mourad: Nicht nur die Burschen waren terrorisiert! Wir alle haben Todesängste ausgestanden. Wir hatten keine Ahnung, was die Terrormiliz mit uns vorhat und ob wir die Gefangenschaft überhaupt überleben werden. Doch auch in unseren dunkelsten Stunden haben wir nie die Hoffnung in Gott aufgegeben. Das gemeinsame Gebet, Tag für Tag, hat uns allen Kraft gegeben, die erlittenen Schikanen und Morddrohungen innerlich zu überstehen. Gottseidank haben es inzwischen alle Geiseln geschafft zu fliehen. Sie befinden sich derzeit in Sicherheit.

DIE FURCHE: Hat man Sie während Ihrer Haftzeit gut behandelt oder haben Sie eine Art Gehirnwäsche über sich ergehen lassen müssen?

Mourad: Die schlimmsten Momente erlebte ich, als IS-Wachen regelmäßig meine Zelle aufsuchten und mit meiner Enthauptung drohten, sollte ich nicht bald zum Islam konvertieren. Als einer von ihnen mir eines Tages tatsächlich ein Dolchmesser am Hals ansetzte, war ich auf das Schlimmste gefasst. Doch es war am Ende nur eine einschüchternde Scheinhinrichtung, eine grausame seelische Marter. Die physische Folter hat sich gottlob auf ein halbstündiges Auspeitschen meines Rückens mit einem Gartenschlauch beschränkt, an dessen Ende kurze Seile befestigt waren. Was die Gehirnwäsche anbelangt, brauche ich Sie wohl nicht daran zu erinnern, dass ich Priester bin Gerade in dieser leidvollen Zeit habe ich aus dem Gebet enorme Festigkeit und inneren Halt geschöpft.

DIE FURCHE: Warum glauben Sie, hat man ausgerechnet Sie entführt, der seit 15 Jahren stets auch muslimischen bedürftigen Familien in Karjatajn geholfen hat?

Mourad: Vielleicht sahen sie gerade darin eine Gefahr. Es ist offensichtlich, dass der sogenannte "Islamische Staat" die einheimischen Christen aus dem Nahen Osten auslöschen will - ausgerechnet dort, wo das Christentum seinen Ursprung hat. Diese Terrormiliz meint es ernst: Sie jagen nicht nur die Häuser der Christen in die Luft und konfiszieren ihre Besitztümer, damit sie zur Flucht gezwungen werden. Jetzt zerstören sie auch christliche Symbole, die ein wesentlicher Bestandteil unserer Identität sind. Während meiner Gefangenschaft haben sie nicht von ungefähr unser Kloster Mar Elian mit Bulldozern dem Erdboden gleichgemacht.

DIE FURCHE: Kann es denn unter diesen Umständen überhaupt noch eine Zukunft für die Christen in Syrien geben?

Mourad: Eine schwierige Frage. Ich mache mir große Sorgen! So viele sind geflohen, weil sie in meinem Land derzeit kaum mehr einen sicheren Ort finden, wo sie in Würde weiterleben könnten. Jene etwa, die knapp dem Tod entronnen sind und in die christlichen Reviere des benachbarten Libanon geflüchtet sind, schaffen es kaum zu überleben, da sie nicht genug Geld für Unterkunft und Verpflegung aufbringen können. Einige von ihnen habe ich gekannt. Sie sind aus Schwäche gestorben oder weil sie sich nicht einmal die medizinische Grundversorgung leisten konnten. Hinzukommt, dass sich die meisten Flüchtlinge illegal und ohne Dokumente auf libanesischem Boden aufhalten. So müssen sie jederzeit damit rechnen, nach Syrien abgeschoben zu werden, wo derzeit die absolute Finsternis herrscht.

DIE FURCHE: Welche Sorgen machen Sie sich um die syrischen Christen und Muslime, die nach Europa geflüchtet sind?

Mourad: Ich mache mir Sorgen, wie sie in fremder Umgebung unser reiches religiös-kulturelles Erbe weiter bewahren und diese ihren Kindern weitergeben können. Mein dringender Rat an die westlich-säkularen Gesellschaften: Unterstützen Sie verstärkt die Ortskirchen, damit diese unsere Gläubigen unter ihre Fittiche nehmen. Christen verstehen sich mühelos unter ihresgleichen. Problematisch ist es, wie es das laizistische Europa schaffen wird, mit jenen fanatischen Muslimen umzugehen, die im Zuge der großen Flüchtlingswelle nun in alle Länder verstreut sind und inzwischen eine reelle Gefahr auch für den Westen darstellen.

DIE FURCHE: Haben Sie persönlich Angst, in Syrien erneut in Gefangenschaft zu geraten?

Mourad: Sicher! Aus diesem Grunde lebe ich momentan wie ein Zwangsumsiedler, so wie alle anderen Flüchtlinge auch, mit denen ich jetzt dasselbe Schicksal teile.

DIE FURCHE: Sollten Sie bald in Ihr Heimatland zurückkehren können, was würde auf Ihrer Prioritätenliste stehen?

Mourad: Mein sehnlichster Wunsch wäre es, meine Tätigkeit als Brückenbauer an der Basis zwischen der christlichen und muslimischen Bevölkerung fortzusetzen, genauso wie ich es bisher immer schon getan habe. Ich möchte all jenen Menschen - vor allem den vielen Binnenflüchtlingen - seelisch und materiell beistehen, die am härtesten von den Kriegswirren getroffen wurden. Doch vorerst bleibt meine Rückkehr nach Syrien nur ein frommer Wunsch. Aus welchen Gründen das so ist, darf ich derzeit leider nicht enthüllen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung