Liebeshindernis Fremdenrecht

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Wer ein Leben mit einem Nicht-EU-Staatsbürger als Partner führen will, muss viele Hürden überwinden.

Die ersten Wochen waren wunderbar. Die ersten Monate auch. Als Daniela Pichler (Name von der Red. geändert) ihren heutigen Ehemann traf, wollte sie nicht daran denken, was es bedeuten könnte, sich in einen Ausländer zu verlieben. Jemanden ohne österreichische Staatsbürgerschaft. Von den strengen Fremdengesetzen hatte Pichler gehört; sie war politisch interessiert. Doch nun betraf es sie persönlich.

Drei Jahre ist es her. Um ihr Russisch zu verbessern, suchte die Mittvierzigerin im Internet nach einem Sprachpartner und fand Levan. Ungeplanterweise, sagt sie mit einem Lächeln. Er ist ursprünglich aus Georgien und damals erst seit kurzem in Wien. Sein Aufenthalt: nicht rechtmäßig. Eine unerlaubte Liebe, geht es nach dem Gesetz. Und Pichler stellt sich bald die Frage: Wie kann ich mit meinem Partner auf Dauer ungehindert zusammenleben?

Damit ist sie nicht alleine. Laut den aktuellsten Zahlen der Statistik Austria besitzt bei 17,7 Prozent aller 2012 in Österreich geschlossenen Ehen ein Teil nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Die Mehrheit ist EU-Staatsbürger, doch wenn der Partner sogenannter Drittstaatsangehöriger ist, greifen strenge Regeln. Erforderlich für eine Aufenthaltsgenehmigung sind: die Antragstellung auf Niederlassung aus dem Heimatland, ein Deutschnachweis vor Zuzug, sowie ein erforderliches Mindesteinkommen des österreichischen Partners von 1286 Euro netto zuzüglich Miete (von dem ein Freibetrag von 274 Euro abgezogen wird).

Soziale Selektion

"Das Einkommen ist das größte Problem bei binationalen Partnerschaften“, sagt der Fremdenrechtsexperte Peter Marhold, der im Verein "helping hands“ juristische Beratung anbietet. Laut Migrant Integration Policy Index ist Österreichs Fremdenrecht eines der restriktivsten in der EU. "Zur harten sozialen Selektion herrscht politisches Schweigen“, so Marhold. "Da geht die Gesetzeslage an Lebensrealitäten vorbei.“

Am Geld scheitert es auch bei Daniela Pichler. Als Deutsch-Trainerin für Migranten erreicht sie das erforderliche Mindestein-kommen nicht. Eine Ehe in Österreich kommt für sie aber aus einem weiteren Grund nicht in Frage: Ihr Partner hält sich illegal im Land auf. Zu groß ist die Angst, die Fremdenpolizei könnte ihn vom Standesamt weg verhaften. Denn Standesämter müssen Ehen mit Drittstaatsangehörigen an die Fremdenpolizei melden. Es ist eine von zahlreichen Absurditäten im Fremdenrecht: Einerseits besteht ein Generalverdacht auf Scheinehe, andererseits ist die Ehe die einzige Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel für den Partner zu erlangen. "Eine unwürdige Angelegenheit für die Betroffenen“, sagt Marhold, denn Paare, die keine Ehe eingehen wollen, werden dazu faktisch gezwungen.

Österreich - Spanien - Österreich

Pichler entscheidet sich für einen Weg, der mit Kindern nicht möglich gewesen wäre, sagt sie. Sie zieht nach Spanien, wo die Gesetze weniger restriktiv sind. Im Sommer 2012 kauft sie ein Auto und reist mit Levan über Venedig und die Côte d’Azur nach Barcelona. "Ein Abenteuer, und gleichzeitig die einzige Möglichkeit, die mir blieb.“ Sie nimmt einen Job in einem Call-Center an und lässt sich gesetzlich verpartnern. Nach insgesamt acht Monaten erhält Levan eine spanische Aufenthaltsgenehmigung und damit das Recht, frei in der Europäischen Union zu reisen.

Das Paar zieht zurück nach Wien und Pichler kommt eine weitere Absurdität des Fremdenrechts zugute: Als Österreicherin, die in Spanien gelebt und ihr Recht auf Freizügigkeit in der EU wahrgenommen hat, muss sie das sonst erforderte Mindesteinkommen nicht erfüllen. Dasselbe gilt für EU-Bürger in Österreich. Sie sind im Vorteil gegenüber österreichischen Staatsbürgern.

Im vergangenen Winter heiraten Daniela Pichler und Levan im Salzkammergut, die Straßen sind mit Schnee bedeckt. Im EU-Referat der Wiener Magistratsabteilung 35, Einwanderung, stellt sie einen Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung für ihren Mann. "Ich war schon auf erneutes Warten und weiteres Nachfragen nach Dokumenten vorbereitet“, sagt Pichler. Doch es geht schnell. Nach zweieinhalb Monaten wird die österreichische Aufenthaltskarte ausgestellt, zweieinhalb Jahre nach dem ersten Kennenlernen in Wien.

Im Verein "Ehe ohne Grenzen“ gibt Pichler ihre Erfahrungen weiter. Über 6000 Beratungen wurden seit seiner Gründung im Jahr 2006, als das Fremdenrecht umfassend verschärft wurde, durchgeführt. Die Anforderungen des Staates sind zehrend. "Innerhalb der Beziehung werden dadurch Hierarchie und Abhängigkeit hergestellt, die dem ungezwungenen Zusammensein schaden und alles andere als romantisch sind“, schreibt eine Betroffene. Das eigene Land, es erscheint oft fremd.

Große Opfer

Daniela Pichler reiste bis nach Spanien, um mit ihrem georgischen Partner leben zu können. Bei 18 Prozent aller 2012 in Österreich geschlossenen Ehen besaß ein Teil nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Binationale Paare stehen unter Generalverdacht auf Scheinehe.

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