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Neue Heimat Osterreich

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Österreich versteht sich als klassisches Asylland. Aber es ist kein Einwanderungsland. In Europa ist das überhaupt nur Schweden, in Ubersee sind es die Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada und Australien. Die Gründe dafür finden sich in unserer Gesetzeslage.

In Österreich gibt es keine definitiven Einwanderungsbestimmungen. Die Modalitäten hiefür werden in drei Gesetzen geregelt: im Fremdenpolizei-, im Asyl- und im Staatsbürgerschaftsgesetz.

Das Fremdenpolizeigesetz besagt, daß „Fremde... zum zeitlich unbegrenzten Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind, sofern die Dauer ihres Aufenthaltes nicht durch zwischenstaatliche Vereinbarungen oder in den ihnen erteilten Sichtvermerken beschränkt wird“. Ausländer können also, je nach Visapflicht, wenn sie nicht gegen die Gesetze ihres Landes im Sinne eines auch anderswo zu ahndenden Vergehens verstoßen haben, im Prinzip einwandern. Sie stellen beim zuständigen Konsulat, das sich dann an das Innenministerium wendet, einen Antrag. Hier wird die Fremdenpolizei eingeschaltet, die überprüft,- ob der Ansuchende für die öffentliche Hand eine Belastung wäre, ob er also über ein angemessenes Vermögen verfügt,

•eine Wohnung und einen Arbeitsplatz hat. Nur dann ist er vor dem Gesetz willkommen. Im Gesetz heißt es: „Aufwendung öffentlicher Mittel für den Lebensunterhalt kann öffentlichen Interessen zuwiderlaufen.“

Einwanderung ist aufgrund der Gesetzeslage keine Rechts-, sont dem eine Ermessenssache. Auch die Erteilung der Staatsbürgerschaft beruht auf einer „Kann“-Bestimmung und ist zeitlich nicht definiert. Bei besonderen Interessen erfolgt sie bald, normal dauert es etwa zehn Jahre, und erst nach dreißig Jahren muß der „Fremde“ die Staatsbürgerschaft erhalten. Bei einigen Sportlern hat man aber gesehen, wie schnell im Bedarfsfall eingebürgert werden kann.

Derzeit ist der Zustrom an Einwanderungen im Vergleich zum Vorjahr steigend. Verzeichnete das Innenministerium im vergangenen Jahr 17.818 Einwanderungen, so sind es heuer bis zum 31. Juli schon 13.085. Die Einbürgerungen belaufen sich im Jahr auf etwa zweitausend. Eine Schätzung besagt, daß von 1945 bis heute nicht ganz 600.000 Ausländer die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten haben.

Auch hier ist eine steigende Tendenz zu verzeichnen: Wurden 1982 genau 7.159 Personen eingebürgert, so waren es 1986 bereits 10.015.

Wer allerdings glaubt, die meisten Anträge kämen aus dem Osten, irrt. Hier ist die Bundesrepublik Deutschland führend, gefolgt von Jugoslawien, Polen, der CSSR und der Türkei.

Für viele Menschen, hauptsächlich sowjetische Juden, Vietnamesen, Kambodschaner, Kurden, : Flüchtlinge aus dem Iran, Chile, Ungarn, Polen und Rumänien, ist Österreich nur ein' Umsteigebahnhof. Ihr eigentliches Ziel sind die USA, Kanada und Australien. Da diese Länder aber nur bestimmte Kontingente aufnehmen, wird das Asylland zum Wartesaal. Im letzten Jahr fanden beispielsweise 8.321 sowjetische Juden auf diesem Weg die Freiheit, vor zehn Jahren waren es 30.655. Da die Bundesrepublik Deutschland und die Schweiz für Flüchtlinge aus Jugoslawien und Rumänien die Grenzen dichtgemacht haben, müssen sie in Österreich einen Antrag nach dem Asylgesetz stellen. Dieses legt fest: „Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaften im Sinne der Konvention muß eine wohlbegründete Furcht vorliegen. Die Behauptung, dem politischen Regime im Heimatstaat unfreundlich gesinnt zu sein, ist kein Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.“

Deshalb wird hierzulande nur ein geringer Prozentsatz von Asylwerbern als Flüchtlinge anerkannt. Von 4.739 Anträgen in den ersten vier Monaten dieses Jahres wurden nur 496 positiv beantwortet. Seit 9. Mai wird diese langwierige Prozedur (zwei bis vier Jahre) für Polen und Ungarn in drei Tagen mit einer Befragung durchgeführt.

Ist jemand einmal als Flüchtling anerkannt, so hat er mitunter Vorrechte gegenüber dem Einwanderungswilligen: Denn als solche anerkannte Personen erhalten die Staatsbürgerschaft schon nach vier Jahren.

Das klassische Asylland Österreich versteht sich nicht als potentielles Einwanderungsland, das Menschen aus dem historisch, kulturell - ja oft sogar - familiär verwandten Mitteleuropa neue Heimat sein könnte. Noch nicht.

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