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Angst vor Fremden

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Trotz restriktiver Einwanderungsbestimmungen wächst die Zahl der Ausländer in fast allen europäischen Ländern weiter. Die Bundesrepublik Deutschland beispielsweise, die Mitte 1988 mit 4,7 Millionen Ausländern das absolut größte Kontingent beherbergte, verzeichnet inzwischen auch wieder mehr Zuwanderungen als Fortzüge. Dadurch erhöhte sich die Zahl der ausländischen Mitbürger in den vergangenen drei Jahren um 300.000. Von Überfremdung kann allerdings keine Rede sein:

• Der Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung liegt in der Bundesrepublik jetzt bei 7,6 Prozent (1985: 7,4 Prozent), in Großbritannien bei 3,1 Prozent, in Frankreich bei 5,8 und in Schweden bei 4,6 Prozent.

• Die Schweizer, die mit knapp 15 Prozent einen weitaus höheren Ausländeranteil ausweisen, sehen die Situation auch eher gelassen. Die Uberfremdungsinitiative vom Dezember 1988 brachte es nur auf ein Drittel der abgegebenen Stimmen.

Lange Zeit hatten die Zuwanderer - in erster Linie die Gastarbeiter — bei der Wahl ihrer Einreiseländer bestimmte Präferenzen:

— Zuwanderer aus Afrika und Asien gingen nach Frankreich und England.

- Südeuropäer wie die Italiener bevorzugten die Schweiz und Belgien, Portugiesen wanderten nach Frankreich aus, und die Türken zog es in die Bundesrepublik Deutschland.

So leben von den rund 2,3 Millionen ausgewanderten Türken 2,04 Millionen in Europa. Davon sind wiederum 1,5 Millionen in die Bundesrepublik gezogen.

Die mit dieser Völkerwanderung verbundenen Probleme entschärfen sich allmählich. Kinder und Kindeskinder von Gastarbeitern sind aus ihrer ehemaligen Rolle als Außenseiter weitgehend herausgewachsen; die Lebensgewohnheiten von Ausländergruppen werden vielfach akzeptiert.

Hinzu kommt, daß die statistischen Globalzahlen oft sozialen Sprengstoff vorspiegeln, der in Wirklichkeit in dieser Größenordnung gar nicht vorhanden ist.

So werden zum Beispiel in der britischen Ausländerstatistik eine halbe Million Iren als Ausländer geführt, die im täglichen Leben aber voll integriert sind. Ähnliches gilt für die 80.000 Deutschen, die in der Schweizer Statistik als

Fremde ausgewiesen sind, oder für die 177.000 Österreicher, die in der Bundesrepublik als Ausländer gezählt werden.

Der Blick auf die Herkunftsländer zeigt freilich auch, daß die europäischen Staaten vor neuen, andersgearteten Ausländerproblemen stehen. Es steigt die Zahl der Wirtschaftsflüchtlinge und Asylsuchenden — hauptsächlich aus afrikanischen und asiatischen Ländern, also nicht mehr den klassischen Herkunftsländern der Gastarbeiter.

Aber auch unabhängig von den Asylsuchenden wird die Zahl der Ausländer in Europa weiter zunehmen. Familiennachzug und Geburten erhöhen die Ziffern. So stieg beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland die Zahl der Ausländer in den letzten acht Jahren um neun Prozent, die Zahl der ausländischen Frauen und Kinder erhöhte sich jedoch um 17 beziehungsweise 33 Prozent. Die Zahl der ausländischen Männer nahm hingegen um fünf Prozent ab.

Aus: „Informationsdienst des Institutes der deutschen Wirtschaft“ in Köln. Nr. 5 vom 2. Februar 1989.

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