7036426-1989_50_10.jpg
Digital In Arbeit

Alters-„Pyramide“ gibt es keine mehr

Werbung
Werbung
Werbung

Alle Experten bestätigen: Nichts läßt sich (sollten nicht unvorhersehbare globale Katastrophen ausbrechen) für die nächsten Jahrzehnte leichter vorhersagen als die Entwicklung der Bevölkerung. Die Alterspyramiden der nächsten Jahrzehnte stehen im oberen Bereich sowieso fest, im unteren sind sie erfahrungsgemäß relativ genau kalkulierbar.

Die Lebenserwartung ist in den letzten zehn Jahren für beide Geschlechter um mehr als drei Jahre gestiegen und beträgt nun 75,3 Jahre (Männer 72,0 und Frauen 78,6 Jahre). Während sich die Weltbevölkerung selbst bei drastischer Reduzierung der Kinderzahlen in der Dritten Welt allein aufgrund der steigenden Lebenserwartung zumindest noch verdoppeln dürfte, rechnet man in Europa mit sinkenden Einwohnerzahlen und einer Altersstruktur, die einer Pyramide nur mehr im obersten Teil ähnelt: Darunter gleicht sie eher einem Blumentopf.

Schuld daran ist die verringerte „Nettoreproduktionsrate“. Sie beträgt in Österreich momentan nur 0,69, das heißt, die Kinderzahl ist um 31 Prozent zu niedrig, um die Elterngeneration langfristig zu ersetzen. In der EG reichen die Werte von 0,63 (Bundesrepublik Deutschland) bis 1,71 (Türkei). Kurzfristig höhere Geburten- als

Sterberaten können nicht darüber hinwegtäuschen, daß in fast ganz Europa die Einwohnerzahlen bald schrumpfen werden.

Der Anteil der gebärfähigen Frauen an der Bevölkerung, derzeit in Österreich 22 Prozent, nimmt nämlich bald wieder deutlich ab. Das heißt, die Bevölkerungsgröße könnte nur konstant bleiben, sollten pro Frau plötzlich wider Erwarten wieder deutlich mehr Kinder geboren werden oder die Zu-wanderer aus fremden Ländern stark zunehmen (was soziale Spannungen befürchten ließe).

Vom Demographen Alexander Hanika unlängst vorgelegte Szenarien rechnen für die nächsten Jahrzehnte mit folgenden Einwohnerzahlen in Österreich (derzeit ziemlich exakt 7,6 Millionen): 2000: 7,533 bis 7,754 Millionen 2010: 7,295 bis 7,805 Millionen 2020: 6,947 bis 7,782 Millionen 2030: 6,424 bis 7,680 Millionen 2040: 5,761 bis 7,455 Millionen 2050: 5,006 bis 7,167 Millionen Die Frage ist nicht, ob, sondern wieviele Einwohner Österreich bis 2050 verliert. Wahrscheinlich bewohnen es dann zwischen fünfeinhalb und knapp über sechs Millionen Menschen.

Die Belastungsquote (das ist der Anteil der Unter-15- und Über-60-Jährigen an der Gesamtbevölkerung), sie beträgt derzeit 61 Prozent, wird bei eher sinkenden Geburtenraten in den nächsten zwanzig Jahren ziemlich konstant bleiben, dann aber bis zum Jahr 2050 auf über 90 Prozent hinaufschnellen - das heißt, auf jede erwerbstätige käme fast eine zu erhaltende Person! Bei eher steigenden Geburtenraten wird sie bis in die dreißiger Jahre des nächsten Jahrhunderts kontinuierlich steigen (auf über 80 Prozent), dann aber wieder leicht fallen.

All das sind keine nebulosen Zahlenspielereien, sondern absehbare Entwicklungen. Sie könnten sogar noch verschärft werden, wenn eine derzeit vor allem in armen Ländern praktizierte Unmenschlichkeit auch in den Industrieländern Fuß fassen sollte: die Entscheidung zu einer Abtreibung, wenn ein Mädchen zu erwarten ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung