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Auflockerung der Einwanderungsgesetze in den USA?

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Eine der schwierigsten Fragen, denen sich der achtzigste Kongreß der Vereinigten Staaten im kommenden Jahre gegenübersehen wird, ist, ob die Einwanderungsgesetze so abgeändert werden sollen, daß sie sich für die europäischen Flüchtlinge hilfreich erweisen.

Mensdienfreundlidie Erwägungen werden eine solche Revision befürworten, insbesondere solange das Palästinaproblem ungelöst bleibt, aber die Einstellung der überwiegenden Mehrheit des Kongresses während des letzten Vierteljahrhunderts war gegen einschneidende Änderungen in der Einwanderungspolitik gewesen. Der Kongreß hat in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg einen hohen Schutzwall gegen Einwanderer errichtet, als ein erwarteter Zustrom von etwa einer Million Einwanderern jährlich auf rund einhundertfünfzigtausend erlaubte Einwanderungen verringert wurde. Die Anwendung dieses Systems der starken Verringerung und der sorgfältigen Auswahl fand die Billigung der amerikanischen Öffentlichkeit. Und seit damals hat diese niemals eine großzügige Einwanderung durchzusetzen versucht. Eine große Anzahl von Kaufleuten, Professoren, Studenten und Berufsspezialisten sind jedoch außerhalb der Quoten eingewandert.

Die politischen Aussichten für eine 1947 erfolgende Revision des Einwanderergesetzes sind nicht sonderlich ermutigend. Aber die menschliche Anteilnahme an dem Los der heimatlosen, in Not geratenen Europäer könnte zu einer Lockerung der gegenwärtigen strengen gesetzlidien Vorschriften führen. Sehr viel wird von der Zusammensetzung des Kongresses abhängen, der am 5. November gewählt und am 3. Jänner 1947 zusammentreten wird, desgleichen auch von den vorherigen möglichen Entwicklungen in der internationalen Politik, insbesondere hinsichtlich Palästinas.

In der Zwischenzeit hat Präsident Truman die bestehenden Gesetze so freizügig als nur möglich zugunsten der „Displaced persons“ gedeutet, ob es sich nun um Juden, Katholiken oder Protestanten handelt, und es konnten auch Gesetzeslüdcen gefunden werden, die ungefähr 3900 Menschen monat-lich die Einwanderung in die USA ermöglichen.

Seit 1924 erfolgten in der Einwanderungslegislatur nur geringfügige Änderungen, die eher von politischer als praktischer Bedeutung waren und nur eine geringfügige Zahl von _ Menschen getroffen hat, wie etwa die Änderungen bezüglich China und Indien, die darauf abzielten, die Verstimmung dieser beiden Völker wegen der Nichtzulassung ihrer Nationsangehörigen im Rahmen des Quotensystems aus der Welt zu schaffen.

Wie sehr die geltenden Bestimmungen die Einwanderung einschränken, geht daraus hervor, daß während des ersten Halbjahres 1946 bloß 2 1.130 Einwanderer auf Quoten und 51.796 Einwanderer ohne Quote nach Amerika gekommen sind, während die Jahre nach dem ersten Weltkrieg folgende Bewegung zeigen: 430.001 im Jahre 1920, 850.228 im Jahre 1921' und 706.896 Einwanderer im Jahre 1924, in welchem Jahre das Quotensystem endgültig zur Anwendung gebracht wurde.

Während des zweiten Weltkrieges war die Einwanderung in die Vereinigten Staaten nur gering: 51.776 im Jahre 1941, 28.781 im Jahre 1942, 23.723 im Jahre 1943, 28.551 im Jahre 1944 und 38.119 im Jahre 1945. Die den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Quoten für manche europäischen Länder wurden nicht voll ausgenützt, aber ein starker Druck auf die Quoten aus osteuropäischen und mittelländischen Ländern macht sich fühlbar.

Der Umstand, daß die Einwanderung auf Quote geringer ist als die im Gesetze von

1924 vorgesehene Gesamtsumme, mag sich dahingehend auswirken, daß Vorschläge auf Abänderung mit der Begründung abgelehnt werden könnten, die Wiedererrichtung von Konsulaten und die Wiederaufnahme des normalen Verkehrs werde zu einer gesteigerten Einwanderung führen.

Auch Vorschläge hinsichtlich der Einwanderung von Minderheiten dürften im Kongreß auf manche Schwierigkeiten stoßen. Schon während der letzten Tagung wurde ein Bericht über Minderheiten vom Sena'-S-komitee behandelt und ein Abänderungsvorschlag, der sich für die Zulassung von Phil; pinos und Indern einsetzte, mit der Begrüv-dung abgelehnt: „Es ist keine Frage, daß Millionen von Menschen nach diesem Kr.eg in die Vereinigten Staaten zu kommen wünschen, wie sie dies nach dem letzten Krieg getan haben. Wir halten es als eine außerordentlich wichtige Sache, besonders in diesen Zeiten, unsere Einwanderungsgesetze z u stärken und nicht zu schwä-c h e n.“

Seit der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts hat sich in den Vereinigten Staaten allmählich eine vollständige Wandlung der politischen Philosophie und öffentlichen Haltung in den einschlägigen Fragen ergeben. Bis in die neunziger Jahre verfolgten die USA die Politik der offenen Tür gegenüber einer zahlenmäßig hohen Einwanderung aus Europa, und jede notleider le Nation fand Unterkommen und gewöhn! ii auch freies Land in den Vereinigten Staat n.

Die Vorstellung der Vereinigten Staaten als der „S c h m e 1 z t i e g e 1 der Menschheit“ erhielt sich noch bis in die Anfangsjahre des'zwanzigsten Jahrhunderts. Zu diesem Zeitpunkt war das freie und billige Land in den westlichen Staaten zum größten Teil bereits besiedelt. Ausländische Bevölkerung begann sich in den großen Industriestädten stark anzuhäufen. Allmählich gelangte der Kongreß zu der Überzeugung, daß übermäßige und wahllose Einwanderung das Herabsinken der Löhne für Arbeiter mit sich brachte und damit eine Verringerung des Lebensstandards der Nation.

Vor dem ersten Weltkrieg bewegte sich die Zahl der jährlichen Einwanderer um die Millionengrenze. 1917 errichtete der Kongreß die ersten Schranken durch die gesetzliche Bestimmung, die B i 1 d u n g s p r ü f n n g u n d eine Kopfgebühr vorsieht. Die Einwanderungswelle dauerte trotzdem an, so daß der Kongreß 1921 eine Notverordnung erließ, die den ersten Quotenplan einführte. Das Quotensystem beruhend auf dem Grundsatz, daß die Zahl der Einwanderer eines jeden Landes in einem Verhältnis zu der Gesamtbevölkerung dieses Landes stehen müsse, wurde dann 1924 zu einer Dauereinrichtung.

1924 wurde der Quotenplan noch ergänzt und vervollkommnet; hinsichtlich des „nationalen Herkommens“ wurde 1930 ein Programm angenommen, das die Gesamtzahl von 15 3.8 79 Einwanderern pro Jahr unter den Ländern der Erde mit Ausnahme der amerikanischen Republiken aufteilt. Aus manchen Ländern wandern weniger Menschen ein als der Quotenplan gestattet, während die Anfragen auf Visas in anderen Ländern die Quotenzahl übersteigt.

Wenn der 80. Kongreß das Einwanderungsproblem debattieren wird, werde die meisten Länder der Erde d -von betroffen sein, denn in der Behandlung dieser Frage werden einschneidende Unterscheidungen in der Behandlung von Volkszugehörigen aus den verschiedenen geographisdien Gegenden der Erde gemacht werden.

Bei der Unterzeichnung des Gesetzes wurden „Fremde, die für die Staatsbürgerschaft nicht zulässig sind“, von der Einwanderung ausgeschlossen, was bei den Völkern des Ostens starke Mißstimmung erregte. Dieses Gesetz wurde abgeändert und nun können jährlich je hundert Menchen aus China, Indien und den Philippinen einwandern.

Hinsichtlich der Einwanderung von Staatsangehörigen der Republiken in Amerika bestehen gesetzmäßig keine Be schränkungen, vor allem einmal keine Quoten. Diese Freizügigkeit hat aber nur theoretischen Wert, denn die Einwanderung wird sehr streng seitens der Konsulate kontrolliert, denn Bewerber um das Einwanderungsvisum müssen den Beweis erbringen, daß sie dem Staat nicht zur Last fallen würden, wenn sie einmal Aufenthalt in der USA genommen haben. Dies ist jedoch sehr schwierig zu beweisen, weil die Arbeitsgesetze der Vereinigten Staaten 1 Arbeitskontrakte mit ausländischen Arbeitern verbieten.

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