Heute noch Fremde - und morgen?/Integration gelingt nur, wenn die Gesellschaft Zuwanderer als Staatsbürger von morgen sieht.

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Österreich ist spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg ein Einwanderungsland. Nach dem Krieg haben Flüchtlinge und Vertriebene, später Arbeitsmigranten und dazwischen Flüchtlingsgruppen in Österreich Arbeit gefunden, Familien und Hausstände gegründet. Ihre Kinder und Enkel sind hier geboren und aufgewachsen. Die Alten werden in Österreich begraben. Das sind typische Anzeichen von Immigranten, nicht von Gästen. Österreich ist ein Einwanderungsland.

Wie gehen wir damit um? Perspektiven und Erfordernisse einer sinnvollen Einwanderungspolitik müssen diskutiert werden, um rechtzeitig Gestaltungs- und Handlungsspielräume abzustecken. Frage des Völkerrechtes ist, wer als Flüchtling anzuerkennen ist. Mit der Unterzeichnung der Genfer Flüchtlingskonvention hat sich Österreich zur Aufnahme Verfolgter bekannt. Zuwanderung hingegen unterliegt dem Primat staatlicher Interessen und den Geboten politischer Klugheit.

Innerhalb der Neuzuwanderung sollte die Familienzusammenführung bevorzugt werden und für den Bereich der Kernfamilie (Ehepartner und minderjährige Kinder) außerhalb von Quotierungen möglich sein. Gerade der Nachzug zu bereits integrierten Familienmitgliedern erleichtert die Integration. Je früher Kinder nachkommen, umso mehr Zeit ihrer Ausbildung können sie in Österreich verbringen. Ist die gesamte Familie hier, macht volle Integration auch für die Betroffenen mehr Sinn.

In transparenten und nachvollziehbaren rechtsstaatlichen Verfahren ist über Bewilligungen zu entscheiden. Damit wahrt der aufnehmende Staat die Chance, eine Infrastruktur für die Integration von Menschen mit anderen Sprachen und Kulturen zu schaffen. Die Zuwanderungswilligen können den Zeitpunkt der Bewilligung abschätzen und ihre Zuwanderung längerfristig vorbereiten. Ob Österreich ein Einwanderungsland bleiben soll, hängt davon ab, wie Österreich in 30 bis 40 Jahren aussehen soll.

Nach demographischen Szenarien wird die Bevölkerung dann erheblich geschrumpft und überaltert sein. Die Sicherung des Generationenvertrages ist ohne Immigration nicht mehr gegeben. Immigration ist nationales, eigennütziges Interesse. Dieses Interesse trifft sich mit dem von Auswanderungswilligen in Osteuropa und der Dritten Welt. Erfahrungsgemäß gelingt es einem größeren Teil der Zuwanderer, ihr Ziel - materielle Besserstellung und sozialen Aufstieg - zu erreichen, weil sie Initiative zeigen und integrationswillig sind. Die wenigsten brauchen dauerhaft staatliche oder private Unterstützung. Immigration ist ein guter Deal: Zuwanderer bieten Produktivität und Kreativität an, die einer alternden Gesellschaft fehlt.

Einwanderungspolitik regelt nicht nur die Modalitäten des Zuzuges, sie sollte die Integration der Zugewanderten berücksichtigen. Eine neue Integrationspolitik muß die Fehler der bisherigen Regierungen und Parlamente ausbügeln. Zehntausende "Ausländer", die in Österreich geboren wurden, sind längst Österreicher geworden, fallen aber dennoch unter die Restriktionen des Fremdenrechtes. Täglich werden in Österreich neue "Ausländer" geboren, die keinerlei Bezug zu einem anderen Staat als Österreich haben - und dennoch als Fremde gelten. Tausende Zugewanderte wurden durch die Restriktionen des verschärften Fremdenrechtes nachträglich zu Illegalen gemacht. Eines der europaweit restriktivsten Staatsbürgerschaftsregimes verschließt den Zugewanderten über Jahrzehnte die demokratische Mitbestimmung. In Wien sind 40 Prozent manuell arbeitender Menschen vom Wahlrecht ausgeschlossen - etwas, was sich keine Demokratie lange leisten kann.

Integration kann nur stattfinden, wenn die Gesellschaft Zuwanderer als Staatsbürger von morgen sieht und als solche behandelt, und wenn sich Zuwanderer selber als Staatsbürger von morgen fühlen können.

Die Autorin, Abgeordnete zum Nationalrat, ist Menschenrechts-, Migrations- und Justizsprecherin der Grünen.

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