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IM STREIFLICHT

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IN mehreren Wiener Blättern las man vor einigen Tagen die folgende Notiz: „Anläßlich des 100. Todestages Heinrich Heines im kommenden Jahr erinnert die .Times' daran, daß in London im Jahre 1847 beinahe ein Faust-Ballett nach einem Libretto von Heine aufgeführt worden wäre. Die Aufführung kam aus technischen Gründen nicht zustande. Das Textbuch und der Kommentar Heines wurden jedoch kürzlich ins Englische übersetzt, und das Londoner Sadler's-Wells-Ballett beschäftigt sich mit dem Gedanken, das Ballett zur Uraufführung zu bringen. Ein echt Heinescher Gedanke ist die Verwandlung von Mephistopheles in die Primaballerina Mephistophela.“ — Eine Neuentdeckung der „Times“ also, und ein kühnes Projekt des Sadler's-Wells-Balletts? Jene Zeitungen, die diese Nachricht kommentarlos wiedergegeben haben, erinnern wir hier daran, daß dieses Faust-Ballett nicht nur bereits komponiert, sondern auch an der Wiener Staatsoper gegeben wurde. Und zwar vor noch gar nicht langer Zeit. Das Ballett heißt „Abraxas“, der Autor: Werner Egk.

KURZE Zeit nach Henri Matisse ist nun auch Fernand Leger, der oft mit diesem zusammen genannt wurde, gestorben. Mit Leger verliert die Malerei unseres Jahrhunderts wieder einen ihrer Bahnbrecher. Wie Matisse hat auch Leger in seinem Schaffen immer einfachere, klarere Formen gesucht, ohne freilich — wieder wie dieser — je ein rein abstrakter Maler zu werden. Noch eines haben Matisse und Leger gemeinsam: als im Alter der Ruf an sie erging, an der Gestaltung moderner Kirchen mitzuwirken, schlössen sich beide nicht aus. Matisse schuf die Figur des heiligen Dominikus für den Altar der Kirche von Assy, Leger gestaltete die Mosaike der Außenfront; Matisse gestaltete den Innenraum der Rosenkranzkapelle in Vence, Leger schuf die Glasfenster für die Kirche von Audincourt. Am geläufigsten ist uns Leger, der Individualist, aber als Maler entindividualisierter Industriearbeiter in klobig-kubistischen Formen in Bildern, die nur mit zwei, drei Grundfarben aufgebaut sind. Picasso, Braque, Rouault, Chagall sind jetzt die letzten großen Veteranen der alten Garde. Es wird langsam einsam um sie.

IN neuer Form erscheinen seit kurzem die „Wiener Bücherbriefe“. Die Städtischen Büchereien haben sich darin ein ansprechendes Organ geschaffen, das neben einigen flüssig geschriebenen Leitaufsätzen von allgemeinem Interesse eine Fülle kurzer, übersichtlich zusammengestellter Buchbesprechungen bringt. Was wir freilich auch hier vermissen, ist eine Uebersicht, die auch dem einfachen Leser Größenverhältnisse und Rangordnung der besprochenen Autoren und Werke, die sich ja nicht immer in der Länge der Referate ablesen lassen, sichtbar machen.

ORIGINALE sind nicht nur kostbarer als Reproduktionen, sie sind auch lebendiger. Sie ermöglichen eher echte Beziehungen zwischen Kunstwerk und Käufer. Aber wer kann sich schon Originalkunstwerke für seine Wohnung leisten, ohne zu billigen Blumenstücken, zu Alpenglühen oder lauschigen Malerwinkel-Landschaften greifen zu müssen, die wiederum Originale, aber keine Kunstwerke sind? Diesem offenbaren Mangel will nun die neugegründete Vereinigung österreichischer Kunstfreunde „arta“, Salzburg, Residenz, abhelfen, „arta“ ist in anderen Ländern, in Holland, in der Schweiz, in Italien, Jugoslawien und in den Vereinigten Staaten schon ein Begriff; ihre Gründung in Oesterreich ist eine verdienstvolle Tat. Ihre Aufgabe sieht sie in der Vermittlung preiswerter Originalgraphiken. Bedeutende Künstler arbeiten für die Vereinigung, von ihren Arbeiten, farbigen Lithographien, Holzschnitten und Radierungen werden Auflagen von höchstens 200 Stück abgezogen und jedes Blatt vom Künstler signiert; zehn Exemplare der Auflage erhält der Künstler, die übrigen Blätter stehen den „arta“-Mitgliedern zur Verfügung. Mit dem Beitritt zur „arta“ erhält das neue Mitglied als Gegenleistung für die Beitrittsgebühr von 60 S ein graphisches Kunstblatt; es verpflichtet sich, jährlich nach freier Wahl „arta“-Blätter für einen Betrag von mindestens 70 S zu beziehen, deren Preis, je nach Herstellungstechnik, zwischen 50 S und 70 S schwankt. Die Blätter werden durch eine Kommission von Malern und Graphikern ausgewählt. Wien wurde durch zwei Ausstellungen auf „arta“ aufmerksam gemacht; die eine veranstaltete der Kunstkritiker Jorg Lampe im Foyer des Wienet Konzerthauses, die andere fand in der Neuen Galerie, Wien I, Grünangergasse 1, statt. Hier lernten wir auch die ersten österreichischen „arta“-Blätter kennen. Eine „Komposition“ von Slavi Soucek (Litho, zweifarbig), ein „Stilleben“ von Gustav Kurt Beck (Linolschnitt), die „Rinder“ von Herbert Breiter (Litho, vierfabrig) und eine Arbeit von Fritz Hundertwasser stachen hervor, „arta“, eine Parallelorganisation zur Guilde de la Gravüre in Genf, bietet aber auch die Blätter italienischer, Schweizer, holländischer Künstler zur Auswahl an; hoffen wir, daß sie sich rasch durchsetzen und eine Abnehmergemeinschaft ins Leben rufen kann, die Originalgraphiken dem üblichen Bildersatz — und auch ein Oelschinken ist nur Bildersatz — vorzieht. Der Anfang ist getan.

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