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Flora reitet wieder

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Was ist ein Strich? Der Strich, an dem man den Graphiker erkennt?

Vor Jahr und Tag geschah folgendes: Der Innsbrucker Graphiker Paul Flora bereitete gerade die Publikation seines humoristischen Bändchens „Das Musenroß. Ein Buch von Dichtern” im Diogenes-Verlag in Zürich vor. Durch Vermittlung eines Freundes gingen Probeabzüge an eine österreichische Zeitschrift, die mit einigen der köstlichen Zeichnungen ihre literarischen Beiträge würzen wollte. Eine dieser Zeichnungen hieß „Abseitige Begabung”. Ein kleines schwarzes Männlein mit Schlapphut und Stock, nicht größer als ein Tintenklecks, führt seinen ebenso schwarzen Pegasus — nur die schmalen Flügel sind weiß ausgespart — den Horizont entlang. Der Horizont ist ein zarter langer Strich, quer über die Seite.

Weiß Gott, wie es zuging, ob ein Fehler beim Klischieren passierte, ob irgendein neunmal Gescheiter dachte, der Strich sei nicht gerade genug — bei der Wiedergabe in der Zeitschrift war der Horizont nicht mehr durch den Strich Floras, sondern durch eine Linie aus dem Setzkasten wiedergegeben; nur Floras

Dichterlein mit Pegasus war geblieben. Dieser eine fehlende Strich in der Zeichnung machte plötzlich augenfällig, was der Strich des Graphikers ist. Nun, da er. nicht da war, war auf einmal auch kein Horizont mehr da — nur eine nüchterne Linie ohne Bedeutung.

Eineinhalb Jahre nach dem „Musenroß” kam Flora mit seinem Bändchen „Menschen und andere Tiere. An die Leine genommen von Erich Kästner” heVaus, diesmal in der Piper-Bücherei (Ni.. 109). Floras Strich ist noch feiner, nocli zarter geworden — wenn freilich man mit einrechnen muß, daß es sich hier um stark verkleinerte Wiedergaben handelt. Lebten im „Musenroß” — wie es bei einem Buch von Dichtern auch gar nicht anders sein kann — noch viele der Zeichnungen von ihrer literarischen Pointe, so handelt es sich bei den Blättern dieses Piper-Bändchens, wohl der reifsten Frucht aus Floras Flora, nur noch um graphische Einfälle, die er mit bestrickendem Charme verwirklicht hat. Die Heiterkeit ist ganz innerlich geworden, also ganz in die Striche selbst eingekehrt — aus der Ebene der Striche wächst der wissende Humor, der die südamerikanische Revolution und die bösen Hunde anziehend und undurchschaubar macht.

Und nun reitet Flora wieder. Nach dem „Musen- roß” hat er das „Schlachtroß” bestiegen und naht sich uns als Krieger. („Das Schlachtroß. Ein Buch von Kriegern.” Erschienen im Diogenes-Verlag, Zürich.) Voran steht ein Motto, das dem Demosthenes zugeschrieben wird: „Der Mann, der flieht, kann Wieder kämpfen.” Alles, was wir an Flora lieben, finden wir in diesem Bändchen wieder; und ein von Jahr zu Jahr tiefer werdendes Wissen vom Menschen, seinen Eitelkeiten und Schwächen.Tm gleichen Maße, wie seine Zeichnungen reizender werden, gewinnen sie an Weltgehalt.

Zeichnungen, die in diesen drei Bändchen veröffentlicht wurden, und viele andere mehr, sind jetzt in der Galerie Würthle, Wien I, Weihburggässe 9, ausgestellt. Da lernen wir neben dem kriegerischen Reiter Flora den Automobilisten kennen, der das „Separee auf Rädern” erfunden hat und den Gartenzwerg als Kühlerfigur, den „Sportwagen für einen älteren Damenfreund” (mit einer Venus vorne, die eher die von Willendorf als die von Milo ist) und andere ergötzliche Modelle (alle Baujahr Flora 57). Daneben können wir „abstrakte und gewöhnliche Griechen” bewundern und Blätter österreichischbarocker Verspieltheit, die aus dem Geiste eines Nestroy, Herzmanovsky-Orlando oder H. C. Artmann stammen’.1 Seit1 der -FORVM-Umfrage über FC-itsch 4n- difet hf SähfMer, yfi Ffetä mit gezeichneten:Exbrnpeltt:. schmückte, spielen Gartenzwerge in Semem Werk eine steigende Rolle. Freilich: wenn Flora zur Feder greift, ist für den Kitsch Hopfen und Schmalz verloren.

Ueberflüssig zu sagen, daß sich die Flora-Bändchen ebenso wie seine Zeichnungen vortrefflich als Weinachtsgeschenk eignen. Für Gartenzwergbesitzer und für solche, die es noch werden wollen.

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