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Mittelmeerisdie Welt

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DIE ITALIENISCHEN ROMANE. Von Stefan Andres. 635 Seiten. Ln. DM 16.80. Piper- Verlagr, München 1965.

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DIE ITALIENISCHEN ROMANE. Von Stefan Andres. 635 Seiten. Ln. DM 16.80. Piper- Verlagr, München 1965.

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Als Moselländer dem Westen und Süden unmittelbar verbunden, verdankt Stefan Andres der mittebnee- rischen Welt auch als Dichter entscheidende Anregungen. Als er 1937 Deutschland verließ, wurde Italien seine zweite Heimat, wo er, nach einem Zwischenaufenthalt in Unkel am Rhein, auch heute wieder ansässig ist. Am Mittelmeer schrieb er seine italienischen Romane, die der Verlag jetzt, in einer Sonderausgabe zusammengefaßt, verlegt. Alle drei Geschichten sind durchtränkt von einer heiteren, unbefangenen Lebensfreude, in der freilich auch immer die Erfahrung der Boden- losigkeit und Abgründigkeit menschlicher Existenz mitschwingt. Gerade durch ihre diesseitige Verhaftung, ihre Sinnenfreude, ihre Leidenschaften geraten Andres’ Gestalten in schuldhafte Verstrickungen, die zum Anlaß werden, sie mit der übersinnlichen Welt zu konfrontieren, die sie vor letzte Entscheidungen stellen.

In dem Roman „Ritter der Gerechtigkeit“ wird Dino Falconieri, aus Protest gegen das lieblose, selbstgerechte Verhalten seines Onkels, des Fürsten Ettore di Alma, zum Banditenführer und Mörder, während der Fürst durch den Verlust seines Besitzes im zweiten Weltkrieg eine innere Wandlung durchmacht, nun der wird, der zu sein er bisher vorgab: ein zum Opfer und Entsagung bereiter Christ, der sein Schicksal annimmt. Abfall und Wandlung, Schuld und Buße — um diese religiösen Erlebnisse geht es in dem Roman.

Das Motiv des „Umschlags“ (so nennt es Karl Josef Hahn in einem Essay über Andres) spielt auch in der „Liebesschaukel“ eine Rolle. Allerdings hat die Handlung hier komödiantische Züge.

Im dritten italienischen Roman „Die Reise nach Portiuncula“ begegnen sich zwei Männer, die, auf den Spuren ihrer schuldhaften Vergangenheit, den bisherigen Selbstbetrug durchschauen und sich der Wahrheit stellen. Der Wahrheit, die nicht nur erkannt, sondern verwirklicht werden muß „im Kreislauf unseres Lebens“. Wie Andres hier die Schicksalsfäden zweier Fremden sich berühren und zusammenlaufen läßt, zeugt von kompositorischem Geschick und einiger Gestaltungskraft. Die Spannung erwächst nicht nur aus der Handlung, sondern ebensosehr aus der metaphysischen Pointe, auf die die ganz und gar weltlichen Verstrickungen seiner Figuren hinführen. Es ist dem Autor in seinem Roman wieder gelungen, die Vielschichtigkeit und Tiefe menschlichen Daseins auszuloten, nicht in abstrakten Abhandlungen, sondern im bildhaften Geschehen.

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