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Liebe in der bösen schönen Welt

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Wenn Herbert Eisenreich Liebesgeschichten ankündigt, tut man gut, auf der Hut zu sein. Dabei läßt der Autor den Leser nicht ungewarnt. Das Wort „sozusagen“ ist ein nicht zu übersehendes Achtung-Schild. Späte Anhänger der Marlitt und Courths-Mahler haben daher die Möglichkeit, die zwanzig kürzeren oder längeren Geschichten, die unter dem Motto A. P. Güterslohs stehen —

..... die Liebe treibend, und doch nur diese erwartend, essend und hungernd zugleich“ — zu meiden und zur auch heute reichlich angebotenen einschlägigen Literatur zu greifen. Wer sich aber nicht abschrecken läßt, dem wird schon nach der Lektüre der ersten Erzählungen klar, daß Herbert Eisenreichs Liebesgeschichten in ebenderselben „Bösen schönen Welt“ spielen, der der Autor schon einen Erzählungsband zugeeignet hat.

Eisenreich ist ein harter Erzähler. Je knapper die Form, je kleiner der Raum, der für die Exposition zur Verfügung steht, um so fester wird der Griffel geführt. Mitunter hat man den Eindruck, daß es nicht der Stift eines Schriftstellers ist, sondern daß es sich um den Diamanten eines Glasschneiders handelt, der Charaktere und Situationen aus dem spröden Material herausschneidet.

Mit Gerhard Fritsch und Milo Dor ist Herbert Eisenreich (Jahrgang 1925) ein Vertreter der Kriegsgeneration, jener Generation, die durch das Erleben und Erleiden des zweiten Weltkriegs geformt und literarisch in Marsch gesetzt wurde. Bei Herbert Eisenreich kommt dies bisher am deutlichsten zum Ausdruck. Auch in den vorliegenden „Liebesgeschichten“; gerade in ihnen, bilden doch oft „jene Jahre“ den düsteren Hintergrund, wird ihre den jungen Menschen der Gegenwart heute schon oft unverständliche Atmosphäre wieder unheimlich lebendig.

Minus und Plus. Entbehren hätten wir unter den vorgelegten Erzählungen „Die neue (glücklichere) Jungfrau von Orleans“ können. Die Geschichte von dem Garnisbnsflittchen einer österreichischen Kleinstadt, das im vorgerückten Alter beim Einmarsch der Amerikaner seine große Zeit erlebt, liegt nur haarscharf an jener Grenze, die der Geschmack zieht. Wie so oft in einem solchen Fall, ist sie auch formal unter Eisenreichs Marke.

Ehrlich vermißt aber hätten wir das Fehlen der Erzählung „Abschied zur Liebe“, die den Band wohl nicht ganz ohne Absicht beschließt. Zwei Menschen, durch Wochen in einer Liaison ohne jedes tiefere Engagement verbunden, entdecken in den Stunden des Abschieds, daß es eigentlich Liebe war.

Voilä — eine Liebesgeschichte. Ohne „sozusagen“. Eine sehr schöne und tiefe noch dazu.

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