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Wiederentdeckung nach sechzig Jahren: McGaherns Beichte

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Mit altern Büchern ist es wie mit altern Möbeln: holt man-sie Tinach 30 Jahren wieder ans Licht, so zeigt sich oft ein neuer Wert.

Der Ire John McGahern, Jahrgang '34, hat sich mit „Das Dunkle“ als Dreißigjähriger damals von seiner Kindheit freigeschrieben. Das hat ihm das Verbot des Buchs in seinem Land eingetragen, und seine Entlassung aus dem Schuldienst. Der Leser heute kann sich von einem Schicksal freilesen, das aus purer Gnade nicht das Seinige geworden ist.

Ein bigotter Vater tyrannisiert den Sohn und die I ochter auf einem mutterlosen Bauernhof in Irland. Seine Gewalt löst die Gegengewalt der Kinder aus: sie verschließen sich und stellen den Alten kalt. Dann aber wird im Gegenzug der Alte penetrant in seinen Zärtlichkeiten für den Sohn, bis an die Grenze des Zulässigen und darüber hinaus. Dem Jungen bleibt als Ausweg nur der Haß, der ihm die Kraft zum Durchstehn dieser Heuchelhölle gibt. Befreiung geschieht insofern, als der Vater mit dem Alter milder wird und der Sohn das Haus studienhalber verläßt. Lösung ist das keine; oder nur soweit, als auch ein schiefgewachsner Baum überleben kann.

Geistesverwandt dem repressiven Vater ist ein vorkonziliarer Katholizismus, der den intimen Nöten des 16-jährigen nichts anderes anzubieten weiß als Ermahnungen und falsche Befreiungsekstasen nach der Beichte. Der Junge, mit seinem sicheren moralischen Instinkt, leistet Widerstand, indem er dem Beichtvater auf Nachfrage brav vorrechnet: „Ich habe in einem Monat hundertvierzigmal unkeusch an mir selbst gehandelt.“ -„Absichtlich?“ - „Ja, Vater.“

Der Protest liegt in der absurden buchhalterischen Genauigkeit, mit der er „Das Dunkle“ dahin zurückbucht, wo es für ihn herkommt, in eine körperferne Kirche, die nicht befreit, sondern belastet. Wie es iatroge-ne Krankheiten gibt, gibt es ekklesio-gene Sünden. Nach 30 Jahren also empfindet man Dank für die Wandlungen auch in der Kirche, nicht zuletzt ausgelöst durch literarischen Protest damals, wie er hier authentisch nachzulesen ist.

DAS DUNKLE

Roman von John McGahern. Hill I hersetzung: Elisabeth Schnack. WM Steidl Verlag, Göttingen 1996. ' 248 Seiten, Tb., öS 131,-

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