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Die große Sängerin

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Wir haben während der letzten Jahre Elisabeth Schwarzkopf selten gehört und noch seltener gesehen. Aber man hat diese Stimme und diese von einem hellwachen Kunstverstand kontrollierte Persönlichkeit nicht vergessen. Im „Figaro“- und im „Falstaff"-Ensemble konnte man die spielerische, gestische und stimmliche Entfaltung von Elisabeth Schwarzkopf bewundern, in ihrem L i e- derabend, der zu einem Höhepunkt der konzertanten Veranstaltungen während der Salzburger Festspiele wurde, erlebte man eine einzigartige Vertiefung und Vergeistigung aller jener glänzenden Fähigkeiten, mit denen diese Künstlerin ausgestattet ist. Es gibt heute nur wenige Sängerinnen, die es wagen dürfen, einen ganzen Abend lang ein anspruchsvolles und kritisches Publikum mit einem Hugo-Wolf - Programm in atemloser Spannung zu halten. Der . Referent gesteht gerne, daß dieses Programm allein geeignet war, seine Sympathie weitgehend zu gewinnen. Und dann erst die Auswahl: die kostbarsten und schwierigsten Stücke aus den Mörike-Liedern, aus dem „Italienischen Liederbuch“, dem „Spanischen Liederbuch", den Eichendorff-Gesängen und, als'Zugabe, aus den Goethe-Liedern! Hier ist eine einmalige Synthese von Intimem und Differenziertem, von Ausdruck und Raffinement gelungen. Vom schmerzlich-leidenschaft

lichen „Lebewohl“, dem bitter-ironischen „Wer rief dich denn?“ über die tiefe meditative Ruhe des „Wir haben beide", dem todestraurigen „Bedeckt mich mit Blumen“ bis zürn tänzerischen „Ich hab in Penna“ und dem von Bolerorhythmen getragenen „Klinge, klinge, mein Pandero“ brachte Elisabeth Schwarzkopf die ganze reiche Skala der Wolfschen Lyrik zum Klingen und Leuchten. Bei größter Inten-: sität des Vortrages rückt aber, was der Kritiker besonders zu schätzen weiß, die Künstlerin dem Hörer nie persönlich zu Leibe. Es besteht keine Gefahr, daß sie in den traurigen Liedern Tränen in die Stimme bekommt oder daß sie, bildlich gesprochen, bei den neckischen den Finger in den Mund steckt. Was wir hörten — und vorbehaltlos bewunderten —, war eine stets kontrollierte Kunstleistung: leidenschaftlich und faszinierend, aber mit jener winzigen Distanz und kaum merklichen Kühle dargeboten, auf die es ankommt. — Wäre er nicht weltberühmt, so müßten wir zum Schluß den Begleiter Gerald Moore ebenso ausführlich loben. Wie er den komplizierten Wolfschen Klavierpart eigenständig und differenziert ’ gestaltete und doch jederzeit mit der Singstimme koordinierte — das grenzte an Zauberei, und bewirkte jene „Incantatio“, die für die Alten höchste Qualifikation der Kunst bedeutete.

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