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Zum Chopin-Jahr 1960

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Am 22. Februar 1810 wurde Frederic (Fryderyk) Chopin in Zelazowa Wola geboren. Daher hat man für die internationale Kunstwelt 1960 zum Chopin- Jahr erklärt. Die Veranstaltungen und Feierlichkeiten werden unter dem Patronat der UNESCO stehen, ihr Zentrum wird naturgemäß Warschau sein, wo jetzt schon die Vorbereitungen für einen Internationalen Chopin-Wettbewerb sowie für einen wissenschaftlichen Kongreß über das Schaffen Chopins begonnen haben. Geplant ist ferner die Fertigstellung der Ausgabe „Chopins sämtliche Werke” unter der Redaktion von I. J. Paderewski, J. Turczynski und L. Bronarski, die Herausgabe des ersten Bandes der Quellen zu den „Sämtlichen Werken”, die Veröffentlichung eines ganzen Zyklus wissenschaftlicher Forschungsarbeiten über das Schaffen Chopins — und schließlich, aber nicht zuletzt, die Veranstaltung von Chopin-Konzerten in aller Welt mit den besten Pianisten.

In Wien veranstaltete der polnische Botschafter, gewissermaßen als Auftakt zum Chopin-Jahr, ein Hauskonzert, bei dem der in Wien seit mehr als zehn Jahren als Chopin-Interpret bekannte und als Gastprofessor für Klavier an der Musikakademie wirkende polnische Pianist Wladyslaw Kedrą einen Zyklus von Walzern, Mazurketr und Etüden sowie je ein Nocturne, eine Berceuse und die Polonaise As-dur spielte.

Einige Tage später gab Jörg Demus im ausverkauften Mozartsaal des Konzerthauses einen Chopin-Abend. Auf dem Programm standen die Phantasie f-moll, zwei Impromptus, zwei Nocturnes, die große Barcarole Fis-dur, drei „Neue Etüden” und, im zweiten Teil, vier Balladen. Jörg Demus, der seine Programmkommentare gern selbst verfaßt, bekennt sich mit schönem jugendlichem Enthusiasmus zu diesem größten Meister des Klaviers — und er tut es wiederholt mir Robert Schumanns Worten „Hut ab, ihr Herren, ein Genie” — mit diesem Heroldsruf hat Schumann den gleichaltrigen Chopin der Musikwelt vorgestellt. Einen „seltenen Stern zu später Nachtstunde” hat er ihn ein andermal genannt, und Chopin hat ihm mit der Widmung der F-dur-Ballade gedankt. — Für Jörg Demus, den Romantiker unter unseren jungen Pianisten, scheint das Chopin-Spiel überhaupt keine Probleme aufzuwerfen. Er kennt keine Stilisierung oder Distanzierung, sondern er spielt seinen Chopin ganz einfach, gewissermaßen „herzlich”, wohl eingedenk des Chopin-Wortes: „Ich schreibe keine Läufe, jeder Takt ist Melodie.”

Zwar ist Demus nicht nur ein sensibler Musiker, sondern auch ein ausgezeichneter Techniker. Aber bei seinem Chopin-Spiel wird man sich der Technik kaum bewußt. Nicht etwa, daß man den Eindruck hätte, als beherrsche er sie nicht vollkommen (das tun andre auch) — sondern er behandelt sie gewissermaßen beiläufig, nebensächlich, improvisatorisch. Und auf diese Art — so kann man es sich wenigstens vorstellen — mag auch Chopin gespielt haben.

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