wolfswelpe - © Foto: iStock/Multipedia

Wolfs-Manager

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Flache Hierarchien machen Wölfe erfolgreich in der Jagd. Der Mensch hält sich für zivilisierter - und hemmt sich durch Befehlsvertikalen.

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Flache Hierarchien machen Wölfe erfolgreich in der Jagd. Der Mensch hält sich für zivilisierter - und hemmt sich durch Befehlsvertikalen.

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Es definiert sich der Mensch ja gerne nach Anführern, ja, es wird unterstellt, er suche Führer quasi von Natur aus, und das seit den Zeiten, als noch der Chef der Freudʼschen Urhorde seine männlichen Rivalen mit der Keule verdrosch. Und so war es dem Menschen angelegen, den Wolf und das Rudel als verwandt anzusehen, zufrieden den Leitwolf betrachtend, quasi als eine Bestätigung der eigenen Hierarchie durch die Fauna.

Es ist nun aber selten so, wie man sich das gerne einbildet. Denn die Erfahrung der Forschung zeigt das Sozialverhalten der Wölfe wesentlich breiter aufgestellt und mit wesentlich mehr Formen der Kooperation versetzt als bloß die tröge Hackordnung, nach der der Ober den Unter schlägt. Es zeigt sich auch: Bei derart komplexen Anforderungen wie einem Jagdzug wäre ein einziger Kommandeur völlig überfordert. Die Flexibilität und der Erfolg, sich blitzschnell auf neue Situationen einstellen zu können, gelingen also nicht „trotz“ fehlenden Kommandos, sondern „wegen“ des fehlenden Befehls. Indem ein jeder um seine Kompetenzen weiß – wie der Bildungswissenschafter sagen würde.

Mathematisch flach

Das hat übrigens auch der Mathematiker Kurt Levin festgestellt, als er die Dynamik der Gruppe untersuchte und feststellte, dass die Interaktion in einer Gruppe dann am besten funktioniert, wenn ein konstantes Gleichgewicht in ihrem Inneren bewahrt bleibt.

Aber woher können Wölfe, was Menschen immer noch nicht gelernt haben? Sie nehmen sich im Gegensatz zu Unternehmensgesellschaften Zeit. Sie nehmen sich Zeit zum Spiel (und zwar in jeder Altersstufe), zum Üben und zum Balgen ohne Rangordnung vom Welpenalter aufwärts. Alle spielen, und zwar noch mehr, als sie jagen. Wer einander so intensiv kennt, braucht keine Führung mehr, denn die Kooperation funktioniert wie im Schlaf.

Die Dinge greifen aufforderungslos ineinander, es läuft „wie geschmiert“ und scheinbar mühelos. Motivation wird großteils aus der Interaktion miteinander geholt, wie Mathematiker Levin es ausdrückt. Erinnert das nicht auch an Konzepte spielerischen Lernens, die derzeit in vielen Kindergärten erfolgreich gestartet werden? Aber es zeigt nur, was man ohnehin ahnen konnte.

Dieses im wahrsten Sinn „Eingespielt-Sein“ ist ein unschätzbarer Wert, der in Unternehmen wie in Beziehungen oft dramatisch unterschätzt wird. Denn das Einspielen schleift Ecken und Kanten ab und poliert die Oberfläche, auf der die gemeinsamen Prozesse so glatt wie möglich ablaufen sollten. Eine solche Teamfläche wird um vieles weniger Widerstand und Reibungsverluste zeigen. Nun ist aber der Mensch kein Wolf. Und deshalb ergeht es ihm umso schlechter, je mehr Königreiche er baut statt Republiken.

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