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Demokratische Wahlen ohne Demokraten

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Die Präsidentenwahl in Rußland in einer Woche wird sich nur mit Einschränkungen als Testfall der demokratischen Festigung in der größten aller Sowjetrepubliken erweisen. Die drei aussichtsreichsten Kandidaten - der Populist und jetzige Parlamentspräsident Boris Jelzin, der seinerzeitige sowjetische Regierungschef und jetzt von der russischen KP unterstützte Nikolai Ryschkow sowie der frühere Innenminister und „Gorbatschow-Mann” Wadim Bakatin - sind von Herkunft und Denkweise alles andere als Demokraten.

Der Mann mit Machtinstinkt und Gespür fürs Denken des Volkes, der im Westen als „Radikalreformer” gehätschefte Jelzin, hat vor kurzem eine Annäherung an Gorbatschow gesucht. Der Machtstreit zwischen Union und Republik bringt dem Populisten nur augenblickliche Sympathien. Die wirklichen Probleme Rußlands sind genausowenig gelöst wie die der Gesamtunion. Sollte Jelzin gewählt werden, hat er zwar eine größere Legitimation als Gorbatschow; es bleibt ihm aber auch dann nichts anderes übrig, als auf der Grundlage der Unionsvereinbarungen vom 23. April, die neun von 15 Teilrepubliken mittrugen, weiterzuarbeiten.

Die erste Direktwahl eines Präsidenten einer Sowjetrepublik, des christlichkonservativen Swiad Gamsachurdia vor einer Woche in Georgien, war zwar „demokratisch”, brachte aber einen Sieg des Nationalpopulismus. So stehen am Ende der ersten Phase der politischen Perestrojka in der Sowjetunion zwar demokratische Wahlen, aus denen aber in Ermangelung geeigneter Persönlichkeiten keine Demokraten als Sieger hervorgehen.

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