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Der Puma spricht mit spanischem Akzent

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Hinter dem für manche unbekannten Begriff „Animationsfilm" verbergen sich alle Filmwerke, die nicht live, mit oder ohne Schauspieler, geschaffen werden: Zeichentrickfilme, Puppenfilme, Scherenschnitte - und heute auch schon Filme, die mit Hilfe eines Computers hergestellt werden.

Eine Vorstellung von der Vielfältigkeit dieser Kunstform konnte man sich Anfang Juni im französischen Annecy beim Internationalen Festival des Animationsfilms machen.

Führende Länder auf dem Gebiet des Animationsfilms sind seit jeher Frankreich, Großbritannien, Italien, Jugoslawien und Kanada. Die Sowjetunion und die ehemaligen sozialistischen Länder nehmen einen besonderen Platz ein: der Animationsfilm blühte bisher in diesen Ländern, weil er den KP-Behörden als kulturelles Alibi diente. Nach Durchsetzung der Demokratie mangelt es den Künstlern vor allem am Geld von seiten des Staates.

Die USA hingegen waren schon vor dem Zweiten Weltkrieg dank der Disney-Studios eine Großmacht des Animationsfilms. Andere Studios

haben sich inzwischen neben Disney profiliert und außerdem gibt es in diesem Land eine sehr zahlreiche Gruppe individueller Künstler, die eine rege Tätigkeit entfalten.

Unter Jury-Vorsitz des jugoslawischen Animators und Zeichners Ne-deljko Dragic erhielt Garry Bardin (UdSSR) den Grand Prix für seine äußerst originelle Version des Märchens „Der graue Wolf und das Rotkäppchen" - mit einem Wolf, der nach der Melodie von „Mackie Messer" singt, während die Großmutter „La vie en rose" trällert. Ein weiterer Preisträger war Nick Parks „Creature Comforts" (Der Komfort der Tiere). Tiere eines Zoos werden nach ihrer Meinung über das Leben hinter Gittern befragt - so etwas ist nur mit Animation zu machen. Park modelliert seine drolligen Tiere aus Plastilin und gibt ihnen eine sehr ausgeprägte Persönlichkeit - besonders ein südamerikanischer Puma, der mit spanischem Akzent spricht, ist faszinierend.

Auch der Tscheche Jan Svankma-jer, ein Veteran von Annecy, arbeitet gerne mit Plastilin, so auch bei seinem jüngsten Werk: „Der Tod des Stalinismus in Böhmen". Svankma-jers Pointen waren besonders wirksam, solange die CSFR noch unter kommunistischem Regime stand.

Die beiden Festival-Beiträge aus den USA waren sehr unterschiedlich. Der eine, „Locomotion" von Steve Goldberg, ist ein in jeder Hinsicht gelungenes Produkt der sogenannten 3D-Computeranimation. Für den Laien bleibt es unverständlich, daß sowohl die Landschaft als auch der kleine Zug, um den es geht, nur im Computer bestehen. Dennoch sind die Bilder überzeugend realistisch. Das ist die Zukunft des Animationsfilms. Gegenwärtig kommen Computerfilme allerdings noch viel teurer als die traditionelle Animation.

Viele Frauen machen Animationsfilme, ein Medium, das ihnen Gelegenheit gibt, ihre Emotionen loszuwerden. So hat die Australierin Sarah Watt mit „Catch of the Day" (Der Fischfang des Tages) eine scharf beobachtete Studie menschlichen Verhaltens geschaffen, in der eine Fischverkäuferin der Belästigung durch die männliche Kundschaft ausgesetzt ist.

Animationsfilme finden auch für pädagogische Zwecke Verwendung. Mit manchmal nur skizzenhaften Zeichnungen wird in Neil Afflecks Kurzfilm „Sacajawea" (USA) die mühsame Expedition von Lewis und Clark (1805) durch unerforschte Gebiete Nordamerikas wieder lebendig. Auch der in Annecy nur teilweise gezeigte abendfüllende britische Film „Ra - der Pfad des Sonnengottes" von Lesley Keen - kann Jugendlichen die Geheimnisse der Ägyptologie näherbringen.

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