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Offenbach-Freunde werden ihre Freude haben: Erstmals liegt eine komplette Aufnahme der Opéra- Bouffe „Die Großherzogin von Gerolstein“ vor, in französischer Sprache, mit Dialogszenen. CBS hat sich für diese Produktion ein sehr solides Operettenteam geholt: Rlgine Crespin als Herzogin, Alain Vanzo für die Partie des Soldaten Fritz, Charles Burles als Fürst Paul, Claude Méloni als Intrigant Baron Puck und Robert Massard als General Boum. Und was Michel Plas- son mit diésen Sängern und Chor und Orchester des Capitole de Toulouse erarbeitet hat, ist eine saubere, profilierte Aufführung.

Eigentlich höchste Zeit, sich dieses Werks zu entsinnen. Denn die „Großherzogin von Gerolstein“ ist im Schaffen des Vaters der französischen Operette, Jacques Offenbach, eines der Haupt- und Schlüsselwerke. 1855 hatte das unter Napoleon III. wieder zur Weltmetropole aufstrebende Paris es London gleichtun müssen: Man plante eine Weltausstellung. Und gerade damals hatte Offenbach das Management des winzigen Théatre Comte übernommen; er nannte es Bouf- fes-Parisiens. Start: mit einer fulminanten Saison kleiner Operetteneinakter aus Offenbachs Werkstatt. Und als Napoleon III. 1867 wieder eine Weltausstellung plante, gab es keine Frage: Offenbach mußte dafür eine Bomben-Show ‘ schreiben - die „Großherzogin von Gerolstein“, die seine international erfolgreichste Operette werden sollte. Sie gab mit den Anstoß für jene Opéra-Bouffe-Delirien, die von Paris bis London in die USA, nach Sankt Petersburg und Wien reichten.

Wer sich die brillanten Nummern der „Großherzogin“ anhört, merkt, welche Fülle melodischer Einfälle, mitreißend turbulenter Chornummern, welchen rhythmischen Drive und wieviel Witz der Virtuose Offenbach hier verpackt hat. Aus dem 1819 in Köln geborenen Sohn des jüdischen Synagogenkantors war ein Meister geworden. Ein Zauberer der Melodie, der Verpak- kung, der als Opéra-Comique-Mu- sikus und Cellist merkbar an Au- ber, Adam, Hérold und auch an Meyerbeers Werken sein Handwerk gelernt hatte und sich für die Musik der Café-Concerts und für die Boulevardtheater begeisterte.

Sein Aufstieg vom kleinen Schnulzenkomponist begann, als er 1844 die Tochter eines Managers heiratete. 1850 wurde er Chef des

Comédie-Framjaise-Orchesters und schließlich stieg er selbst ins Theatergeschäft ein. 1858 entstand das Musterwerk aller großen Operetten, „Orpheus in der Unterwelt“, 1864 die „Schöne Helena“, 1866 „Blaubart“ und „Pariser Leben“, 1867 die „Großherzogin“, 1868 „La Périchole“, danach „Les Bri- gands“.

Gerade mit der „Großherzogin“ hatte Offenbach allerdings genug Schwierigkeiten: Aus politischen Gründen mußte die Geschichte ins 18. Jahrhundert verlegt werden, damit Napoleons Armee nicht beleidigt würde; der Zensor wachte mit Argusaugen über jede Textzeile Meilhacs und Halévys; was das Werk schließlich „rettete“, war der Eindruck, es könnte sich um eine Satire auf Katharina die Große und ihr Verhältnis zum Emporkömmling Potemkin handeln. Zur Uraufführungsgala reiste „tout le monde“ an: von der Fürstin Metternich bis zu den Rothschilds war ganz Paris da, Napoleon III., der Prinz von Wales, Bismarck, Zar Alexander II., der Sultan kamen. Nur Kaiser Franz Joseph ließ sie sich entgehen. Worauf ein Chronist mokant bemerkte, mit dem Herzogtum Gerolstein, in dem es so militärisch bunt und nepotistisch zugehe, könne doch wohl nur Österreich gemeint sein!

JACQUES OFFENBACH: Die Großherzogin von Gerolstein; mit Régine Crespin, Mady M espié, Alain Vanzo, CharlesBurles, Robert Massard u. a.; Dirigent: Michel Plasson; CBS 79207; 2 LPs.

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