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Dokumentation des Grauens

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„Keines der Übel, die der Totalitaris-mus... zu heilen behauptet, ist schlimmer als der Totalitarismus selbst", schrieb Albert Camus, und die Studie über Stalins „Säuberungen" von 1934 bis 1938 bestätigen diese These. Der Autor, Professor an der Stanford Uni-versity, arbeitet in diesem „Reassess-ment" (so derOriginal-Untertitel) neueste Ergebnisse der Forschung ein, die durch die Öffnung russischer Archive möglich wurden.

Im Mittelpunkt stehen die „Säuberungen" Stalins innerhalb der Partei. Der Mord an Kirow, dem Vorsitzenden der Leningrader Parteiorganisation (von Stalin vermutlich selbst inszeniert), lieferte den Vorwand, um den Großteil der Parteielite ihrer Macht zu berauben. Wyschinskij brachte den Vorgang auf die Formel: „Verhaften, prozessieren, erschießen!". In Schauprozessen wurden Tausende unter abstrusen Anschuldigungen vor Gericht gestellt und abgeurteilt. Ein zynischer Kommentator schlug vor, die Prozeßberichte nicht als Dokumente, sondern als Kunstwerke zu betrachten: „Was für eine grandiose Fabel und wie zusammenhängend und einheitlich alles war. Es ist nur zu bedauerlich, daß die Charaktere lebende Menschen waren". Daneben richtete sich der Terror auch gegen Nicht-Partei-Mitglieder. Der Autorrechnetmit einer Million Hingerichteter, mit zwei Millionen, die in Lagern starben und mit etwa neun Millionen Inhaftierten.

Auch das Schicksal einiger Schutzbund-Mitglieder wird erwähnt. Nach dem Februar 1934 wurden sie als Helden in der Sowjetunion willkommen geheißen und durften unter Beifall und Hochrufen über den Roten Platz marschieren. Bis Mitte 1937 waren sie fast ohne Ausnahme verhaftet und in Lager gebracht worden.

Wer sich durch die 600 Seiten gearbeitet hat, erinnert sich vielleicht an Büchners Wort über uns Menschen, die einem Abgrund gleichen: es graut einem, wenn man hinunterschaut.

DER GROSSE TERROR. Sowjetunion 1934-1938. Ins Deutsche übertragen von Andreas Model. Von Robert Conquest. Verlag Langen Müller, München 1992.624 Seiten, öS 375,-.

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