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Enttäuschungen

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Man soll dem Teufel nicht die Hand geben — oder ins Filmische übersetzt, keinen Pakt mit Hollywood abschließen, das sollte Ingmar Bergman von seinen Landsleuten Sjöström und Stiller gelernt haben. Dieses 35. Filmwerk (und dritter Farbfilm) des großen schwedischen Regisseurs, der als einer der „Unsterblichen“ in die Filmgeschichte eingegangen ist, ist seine erste von Hollywood finanzierte Produktion, und wenn auch noch immer ein ausgezeichneter Film, so doch eine Enttäuschung für den, der von Bergman etwas Bestimmtes erwartet. In dieser (wie bei dem Schweden üblich) Drei-ecks-Ehebruchgeschichte ist kaum noch — einzig vielleicht in der Einleitung mit dem Tod der Mutter Karins — etwas von jenem unerhört faszinierenden psychologlisch zutiefst erfaßten Symbolismus und der Problematik zu spüren, die seine Filme zu Meisterwerken nordischer Seelenanalyse machten: „The Touch“ hat keinen Bergman-Touch mehr... Sicher, es ist einmal ein Werk des berühmten Cineasten, das allgemein verständlich für das ganze Publikum ist (was die Verleiher freuen wird), doch mit der Elimiinierung Freudscher Elemente macht sich Langeweile breit — und da Bergman, immer der „Erste“, hier ausnahmsweise von gewagten, heute jedoch Allgemeinfilmgepäck gewordenen erotischen Freizügigkeiten absieht, wird der Film trotz seiner Verständlichkeit wohl kaum das Publikum finden, das sich Hollywood angesichts des Regisseurnamens erhoffte (was die Verleiher nicht mehr freuen wird). Das Ergebnis ist ein mehr oder weniger durchschnittliches Eheproblem, die Geschichte einer Arztfrau, die aus ihrer „heilen Welt“ ausbricht, weil sie sich in einen jungen amerikanischen Archäologen mit aller Leidenschaft verliebt, aber verwirrt wieder zurückkehrt, weil der junge Mann erst zu spät sie versteht. Dieser eigentlich banale Film ist selbstverständlich wie immer bei Bergmann wunderbar photographiert (Sven Nykvist), wie immer großartig gespielt (Bibi Andersson und Elliott Gould), hervorragend inszeniert — doch die Konzessionen an Hollywood, an den Kommerz kosteten Ingmar Bergman seine urinnerste Persönlichkeit.

Wer etwa vernehmen sollte, daß die französisch-deutsch-italienische Koproduktion „Wie, bitte, werde ich ein Held?“ nach dem Roman „Die Abenteuer eines jungen Herrn in Polen“ von Alexander Lernet Hole-nia gedreht sei, lasse sich durch diesen Reklametrick nicht verleiten; wohl ist entfernt eine Ähnlichkeit da, die in der Verwendung der Grundidee beruht — doch eine so uncharmante, humorlose, unabenteuerlich-langweilige Zweitverfilmung (die erste stammt aus dem Jahre 1934 und wurde von Gustav Fröhlich inszeniert), noch dazu mit zahlreichen Geschmacklosigkeiten auf heute übliche Filmmode gebracht, sollte mit der literarischen Vorlage nicht in einem Atemzug genannt werden!

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