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Bergmans „Zauberflöte“

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Ingmar Bergman, der „Magier des Films“, ist bekanntlich auch ein international renommierter Bühnenregisseur, dem das Genre der Oper nicht fremd ist. Er sagt von sich selbst aus, ein glühender Wagnerianer zu sein und sonst nur die „Zauberflöte“ und „Mignon“ zu akzeptieren.

Bergman wollte Mozarts letzte Oper schon vor mehr als zwanzig Jahren in Malmö inszenieren, fand aber keine geeignete Besetzung. Ein Angebot im Jahre 1964, das Werk in Hamburg in Szene zu setzen, scheiterte an Bergmans Berufung zum Direktor des Königlichen Schauspielhauses in Stockholm. Erst das Jubiläum zum 50Jährigen Bestehen des Schwedischen Rundfunks im Jahre 1974 gab Bergman die Möglichkeit, sein Lieblingsprojekt nach zweijähriger Vorbereitung als Fernsehfilm zu realisieren.

Er ließ dazu das zauberhafte Barocktheater von Drottningholm im Studio nachbauen und wählte zur Interpretation der Rollen ein fast ausschließlichskandinavisches,

schwedisch singendes (deutsche Untertitel) Ensemble aus, bei dem es ihm vor allem auf die „Natürlichkeit der Stimmen“ ankam. So gibt es gesanglich durchwegs gute, wenn auch keine überragenden Leistungen, und auch die Darbietung des Orchesters ist tadellos. Als einziger Ausländer im Ensemble scheint der Österreicher Josef Köstlinger als Tamino auf, der über schönes lyrisches Material verfügt und eine naturburschenhafte Ausstrahlung hat.

Nach einiger Skepsis im vorhinein, wie die zwei eher diametralen Naturen Mozart und Bergman zusammenfinden würden, kann man zunächst feststellen, daß der Schwede an die Oper mit Liebe und Ehrfurcht herangegangen ist. Er hat sich im wesentlichen auf den durch die Bühne gegebenen Rahmen beschränkt, nur während der Ouvertüre — man sieht die Gesichter junger und alter Beschauer, von Menschen verschiedener Hautfarbe, die wohl die Universalität des Werkes versinnbildlichen sollen — und der Pause hat er sich eine visuelle Ausweitung erlaubt: man erlebt hier die Sänger ganz privat, etwa den Sarastro-Darsteller beim Studium der „Parsifal“-Partitur. Was Bergman der Oper aber vor altem gegeben hat, ißt eine Gelöstheit des Singens und Spielens, wie man sie auf der Bühne kaum jemals erlebt. Dabei wird auch die Prosa, die oft auf Stelzen des Pathos einherschrei-tet, so wohltuend natürlich und mit trockenem Humor gebracht, daß man seine helle Freude daran hat. Hier erweist sich Bergman wieder einmal als großartiger Führer von Schauspielern.

Eigenwillige Akzente hat Bergman eigentlich nur um die Figur Sara-stros gesetzt. Der Oberpriester ist hier auch der Vater Paminas, was den Konflikt mit der Königin der Nacht zuspitzt. Er schart seine Mannen wie etwa bei König Artus' Tafelrunde um sich, eine Einstellung erinnert sogar an die Abendmahlsszene.

Als versierter Film- und Fernsehregisseur arbeitet Bergman natürlich viel mit Großaufnahmen, was auch gegenüber der Oper ein durchaus legitimes Stilmittel ist, da hier die. übliche Statik menschlichem Erleben Platz machen kann. In einigen Szenen sind ihm hiebei großartige Ausdrucksstudien von düsterer Hintergründigkeit gelungen, die an die Bildsprache seiner besten Filme erinnern. Daß dadurch das humane Ethos der Oper gut zum Ausdruck kommt, versteht sich fast von selbst. Aber auch den naiven Märchencharakter von Schikaneders Text hat Bergman mit spielerischer Leichtigkeit ins Bild gesetzt.

So ist diese „Zauiberflöte“-Fassung zwar keine Sensation geworden, aber als Auseinandersetzung des großen Filmschöpfers der Gegenwart mit dem großen Genie der Tonkunst ein Werk von hohem Interesse uind bleibendem Wert.

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