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Hans Werner Henze, 46, erfolgreicher Schüler von Fortner und Leibowitz und einer der profiliertesten deutschen Komponisten, hat der Oper („Boulevard Solitude", „Der junge Lord", „Die Bassariden"), dem Ballett („Tancred und Catylena", „Der Idiot") und dem Oratorium („Floß der Medusa") immer wieder Impulse gegeben und das moderne Repertoire bedeutend erweitert. Nun schreibt er eine neue Oper: auf ein Libretto des englischen Dramatikers Bond. Und da Bond gerade an der „Burg" seinen „Lear" inszenierte, kam Henze für ein Wochenende nach Wien, um hier die gemeinsame Arbeit zu besprechen.

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Hans Werner Henze, 46, erfolgreicher Schüler von Fortner und Leibowitz und einer der profiliertesten deutschen Komponisten, hat der Oper („Boulevard Solitude", „Der junge Lord", „Die Bassariden"), dem Ballett („Tancred und Catylena", „Der Idiot") und dem Oratorium („Floß der Medusa") immer wieder Impulse gegeben und das moderne Repertoire bedeutend erweitert. Nun schreibt er eine neue Oper: auf ein Libretto des englischen Dramatikers Bond. Und da Bond gerade an der „Burg" seinen „Lear" inszenierte, kam Henze für ein Wochenende nach Wien, um hier die gemeinsame Arbeit zu besprechen.

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FURCHE: Sie gelten als politisch engagierter Komponist. Wird auch diese neue Oper ein politisches Bekenntniswerk werden?

HENZE: In einer zehnstündigen Arbeitsklausur mit Bond habe ich das schon im Mai 1972 in London besprochene Libretto nun korrigiert und Bond erklärt, welche speziellen Details ich für eine Oper brauche. Das Thema: Gewalt und politische Repressalien ... Im Mittelpunkt steht ein Kaiser oder General in einem Reich des 19. Jahrhunderts, eine grausame Persönlichkeit, die durch politische und gesellschaftliche Umschichtungen ihre Position verliert und einen Lernprozeß durchmacht...

FURCHE: Das Thema erinnert an Bonds „Lear" ...

HENZE: Sicher. Bond hat sieb, von diesem Stoff noch nicht gelöst. Auch hier ist Theater für ihn wieder die moralische Anstalt. Mir imponiert vor allem die Dialektik seiner Dialoge. /

FURCHE: Wie planen Sie das Werk zu komponieren?

HENZE: Als eine stilistische Weiterentwicklung meiner szenischen Werke „El Cimarron" und „Natascha Ungeheuer". Bond ist da für mich der ideale Gegenpol. Vielleicht gelingt es, gemeinsam mit ihm das Musiktheater von der Sprache her zu erneuern. Ich bewundere die Musikalität seiner Dichtung, seine Poesie. Sie entspricht genau meinen Vorstellungen. Diese Sprache ist für meine Musik mit multiplen Klangquellen ideal verwertbar.

FURCHE: Wann soll das Werk vorgestellt werden?

HENZE: Es ist eine Auftragsoper für Convent Garden, wird 1975 uraufgeführt; möglicherweise mit Luca Ronconi als Regisseur.

FURCHE: Werden Sie selbst dirigieren?

HENZE: Nein. Ich gebe das Dirigieren auf. Kubelik oder Solti oder überhaupt jeder Profi kann das besser. Ich habe es bei der Aufführung meines „Heliogabalus Imperator" gesehen. Und mich frustriert das Dirigieren: Es raubt zuviel Zeit. Besonders wenn ich den ganzen Tag dran denken muß, daß ich abends etwa die Lulu-Symphonie aufführen muß.

FURCHE: Sie hatten in Berlin und Edinburgh als Regisseur Erfolge. Werden Sie wieder inszenieren?

HENZE: Unbedingt. Herbst 1974 inszeniere ich meine „Bassariden" im Londoner Coliseum. Außerdem betreue ich zugleich die Produktion meines Musicals „La Cubana", das Londons National-Theatre-Chef Peter Hall in seinem Haus herausbringt.

Es ist ein satirisches Stück über das spektakuläre Leben einer Music-Hall-Queen zwischen 1907 und 1959, ein Stück gegen die Denkmaschinerie und die Kunst als solche. Nicht von ungefähr lautet der Untertitel: „Ein Leben für die Kunst."

FURCHE: Werden Sie endlich auch einmal in Wien arbeiten?

HENZE: Ich werde wegen „La Cubana" mit dem Theater an der Wien verhandeln. Professor Kutschera sah das Stück in New York und es gefiel ihm. Aber vielleicht ergibt sich jetzt auch eine Möglichkeit mit der Volksoper: Direktor Dönch überlegt, wie man meinen „Jungen Lord" herausbringen könnte. Wir dachten an Gerhard Stolze als Regisseur...

FURCHE: Komponieren Sie auch wieder Instrumentalmusik?

HENZE: Ein „Tristan"-Stück als Auftragsarbeit des London Sym-phony Orchestra für 1974: Als Material dienen die ersten Takte des 3. Aktes von Wagners Musikdrama, die durch einen Computer analysiert werden. Übrigens ein sehr trauriges Stück mit eingearbeiteten melancholischen Troubadourliedern, einer Kinderstimme, die aus „Tristan et Yseut" rezitiert, einem Band mit der verfremdeten Stimme einer weltberühmten Sopranistin, dem Herzschlag einer Hündin usw....

FURCHE: Für Rom, wo Sie wohnen, komponieren Sie nichts?

HENZE: Das Musikleben ist dort etwas dürftig. Aber außerdem wird für mich ohnedies allmählich eine Wohnung in London aktuell.

Dos Gespräch mit Hans Werner Henze führte Robert Weber.

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