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Erstickt der Handel im Müll?

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Seit 1. Oktober ist die Verpackungsverordnung in Kraft. Sie verpflichtet alle Verpackungshersteller, Verpackungen zurückzunehmen und alle Konsumenten, gebrauchte Verpackungen wieder zurückzugeben.

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Seit 1. Oktober ist die Verpackungsverordnung in Kraft. Sie verpflichtet alle Verpackungshersteller, Verpackungen zurückzunehmen und alle Konsumenten, gebrauchte Verpackungen wieder zurückzugeben.

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Um einem Verpackungskollaps durch die Rückgabe der Verpackungen in den Geschäften entgegenzuwirken, bemüht sich die Wirtschaft bereits seit einem halben Jahr um den Aufbau eines flächen-deckenden Sammelsystems mit neuen Containern für Verpackungen. Sollten die sogenannten „Gelben Tonnen" nicht bald in Haushaltsnähe stehen, könnte folgendes Szenario zur bitteren Wirklichkeit werden. Die Verbraucher dürften dann nämlich von ihrem Recht Gebrauch machen, Verpackungen einfach im Geschäft zurückzulassen.

Folgendes Szenario ist also denkbar: Sie kommen ins Geschäft und trauen Ihren Augen nicht. Eine junge Frau leert gerade hinter der Kassa Essiggurken in ein mitgebrachtes Gefäß um. Das Einwegglas läßt sie im Geschäft zurück. In irgendeiner Mülltonne. Es hinterläßt einen leicht säuerlichen Geruch im sonst so sauberen Verkaufsraum. Ihr Nachbar schüttet Milch aus dem Karton in eine antike Milchkanne, schmeißt den Karton zum Gurkenglas und schlendert lässig aus dem Geschäft.

Die hinter ihm stehende Studentin denkt sich: „Warum der Idiot denn nicht gleich eine Flasche kauft?", schüttet die eben gekauften Ravioli in ihr Twist-off-Glas und schmeißt die Verpackung zu Milchkarton und Gurkenglas. Die Verkäuferin holt tief Luft - durch den Mund wohlgemerkt - während sie sich ausmalt, was heute noch alles passieren wird. Kurz vor Geschäftsschluß sind alle überfordert. Die Mülltonnen im Geschäft sind überfüllt. Die Käufer schmeißen ihre Verpackungen entweder daneben, lassen sie im Einkaufswagen liegen oder rufen verzweifelt nach der Verkäuferin, die gerade damit beschäftigt ist, den gröbsten Dreck vom Boden zu entfernen. Ihr Pech: sie weiß nicht mehr wohin damit.

Inzwischen hat schon wieder jemand seine Verpackung einfach fallen lassen. Der Verkäuferin reicht es jetzt. Sie schmeißt den ganzen eben zusammengekehrten Verpackungskrempel hin, gibt laut zischende Ausrufe von sich und läuft heulend aus dem Geschäft. Am nächsten Tag verliert sie ihren Job.

Obwohl die Verordnung im Grunde genommen zu begrüßen ist, schließlich werden die Entsorgungskosten für Verpackungen endlich im Produktpreis inbegriffen sein, war es ein Fehler, mit der offiziellen Informationskampagne bis zum letzten Tag abzuwarten.

Dafür ist die Verpackungsverordnung einfach zu umfangreich - ein anfängliches Chaos also vorprogrammiert. Auch eine Müllpolizei würde dem Problem des Informationsmangels nicht abhelfen, wie uns die Geschichte des Herrn Huber zeigt:

Wenn Herr Huber einkaufen geht, überlegt er immer erst im Geschäft, was er braucht. Hier ein bißchen Salat, dort eine Butter, da ein Liter Milch, das Shampoon ist auch schon fast leer, Ölsardinen hat er schon lange nicht mehr gegessen,

_ eine Packung Eier noch und Spaghetti. Hinter der Kassa packt Herr Huber alles in eine Plastiktasche und will gehen.

Beim Ausgang steht ein Polizist. Er hat eine gelbe Uniform an. „Grüß Gott", sagt der Polizist, „Sie wissen ja, daß Sie Ihre Verpackungen zurückgeben müssen?" Herr Huber fürchtet sich. Mit der Polizei hat er noch nie etwas zu tun gehabt. „Ja, ja", sagt er, obwohl er von gar nichts weiß und geht zurück zur Kasse, wo er seine Sachen wieder auspackt.

Er weiß nicht, was er zuerst hin-

Furche Karikatur Pirchl einschütten soll ins Plastiksackerl, die Milch oder das Haarshampoon. „Nur gut, daß ich kein Papiersackerl genommen hab", denkt sich Herr Huber und betrachtet das Gemisch in seiner Einkaufstasche. Als er mit einem eigenartigen Lächeln das Geschäft verläßt, ist er sich nicht mehr sicher, ob er verrückt ist oder der gelbe Polizist.

Keine Angst! Eine Müllpolizei wird es nicht geben, und vorerst werden Sie auch nicht mit 40.000 Schilling bestraft, falls Sie Ihre Verpackungen irrtümlicherweise zum Restmüll werfen. Aber an eines sollten wir uns schnellstens gewöhnen: Verpackungen zu vermeiden, wo immer es geht. Das gilt insbesondere für Kunststoffverpackungen, deren Entsorgung in Verbrennungsanlagen stattfinden wird. Die nächste Anlage könnte nämlich schon bald auch bei Ihnen stehen - und das wollen Sie doch nicht - oder? die Autorin ist Mitarbeiterin der ARGE Müllvermeidung in Graz. Die ARGE hat ein Informationsblatt zur Ver-packungsverordunung herausgegeben. Bestellungen unter Tel 0316j)1532

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