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Erzbischof Lefebvre auf dem Vormarsch durch Deutschland

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37 Prozent der österreichischen Katholiken stimmten kürzlich bei einer Umfrage „ganz oder teilweise“ der Behauptung zu: „Erzbischof Lefebvre hat mit seiner Bewegimg ganz recht; wenn er nicht wäre, würde die Kirche noch viel mehr Wesentliches aufgeben.“ Die Anhängerschaft des französischen Traditionalistenführers formiert sich auch in Deutschland: In Niederbayern bauen Lefebvre-Freunde ein leerstehendes Spätberufenen-Seminar für ihre Zwecke um. Im Ruhrgebiet und in Kassel sind „Meßzentren“ im Entstehen. In Freiburg wird eine Gegenveranstaltung zum Deutschen Katholikentag im Herbst vorbereitet.

Hier, in Freiburg, glaubt eine „Römisch-katholische Traditionsgemeinde St Pius V. e. V.“ schon seit langem auf den .jetzigen Vatikanoberen“ und „seine häretische Amtskirche“ verzichten zu können: „Wir werden bald auf eigenen Füßen stehen“. Münchens und Saarbrückens Traditionalisten haben diese Drohung bereits wahrgemacht. In der bayerischen Hauptstadt verfügen sie über zwei Untergrundkirchen; die „Priesterbruderschaft Pius X.“, die für den Nachwuchs sorgt, rechnet mit weiterem Zulauf von Seminaristen. In Saarbrücken hat die

„Katholische Kulturgemeinde St. Pius X.“ einen eigenen Religionsunterricht organisiert und ein Lagerhaus zum „Pfarrzentrum“ umfunktioniert. Starke ultrakonservative Gemeinden bestehen auch in Köln und in Herne (Westfalen).

Kassel, wo vorläufig eine Kapelle erworben wurde, eine noch zu erwerbende Kirche irgendwo im Ruhrgebiet und das alte Seminar im niederbayerischen Zaitzkofen sind die jüngsten Stationen auf Lefebvres Vormarsch durch Deutschland. Das Haus in Zaitzkofen gehörte den Mariannhiller Missionaren, die es für rund 650.000 Mark einem vertrauenerweckenden Bauingenieur aus Regensburg verkauften. Der hatte erklärt, das heruntergekommene Gebäude zu einem „Altersruhesitz“ für einen Freundeskreis älterer Herren ausbauen zu wollen.

Als die Missionare erfuhren, daß sie ihr Haus einem Gönner Lefebvres überlassen hatten, war es schon zu spät: Der Verkauf war nicht mehr rückgängig zu machen, obwohl sich auch der Regensburger Bischof Rudolf Graber einschaltete und selbst Kardinal Josef Höffner dem französischen Alterzbischof ins Gewissen redete. Die Traditionalisten sind fest ent-

schlossen, das Haus in Zaitzkofen als Stützpunkt für neue Seminaristen zu halten. Derzeit bekommen in den verschiedenen Häusern der ,3ewegung“ bereits 150 Seminaristen eine Ausbildung nach vorkonziliarem Muster. Klaus Wodsack vom Priorat der Münchner Priesterbruderschaft meint hiezu: „Immer wieder stoßen neue zu uns.“ Allein in Ecoiie seien im letzten Herbst 40 Kandidaten eingetreten.

Zeichnet sich eine Kirchenspaltung ab? Münchens Kardinal Josef Ratzinger, der mit einer mächtigen ultrakonservativen Opposition in der eigenen Diözese leben muß, hält ein förmliches Schisma für unwahrscheinlich. Ernstnehmen müsse man die Bewegung aber zweifellos. Sicher sei es nicht klug gewesen, mit der Einführung des neuen römischen Meßbuchs gleichzeitig das alte zu verbieten. Ratzinger wünscht sich eine größere „Toleranz-breite“, um die alte Liturgie „auslaufen“ zu lassen. Eine „Reform der Liturgiereform“ kann er sich nicht vorstellen, wohl aber die Integration einiger Bestandteile der alten tridentini-schen Messe in die gegenwärtige Liturgie.

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