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Vorsichtig couragiert

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Der (ost)deutsche Friedenspreisträger Friedrich Schorlemmer erstmals in Österreich. 1987 saßen wir das erste Mal nebeneinander - bei einer Konfrontation mit tschechischen Polit-Funktionären und Technokraten in einem südböhmischen „Volkshaus” nahe Temelin. Friedensaktivisten beiderseits der Grenze hatten beim „Olof-Palme-Friedens-marsch” eine Konfrontation über zivile und militärische Atomgefahren erzwungen. Obwohl ständig durch Stasi-Spitzel überwacht, wagte Schorlemmer es als einziger, die DDR-Delegierten-Clique zu verlassen und offen die Situation seines Landes zu kritisieren.

Fast sieben Jahre später, bei seinem ersten Österreich-Besuch, geht es - wieder - um „Zivilcourage”. Dieses Mal wurde er vom Bundesverband Katholischer Erwachsenenbildner nach Wien eingeladen, um seine.Erfahrungen als pastoraler und politischer Mut-Macher einzubringen. .

Daß seine Kindheit im traditionellen evangelischen Pfarrhaus und dann der jahrelange entnervende Druck durch das DDR-Regime tiefe Spuren hinterlassen hat, will er nicht verleugnen. Er wehrt sich einerseits gegen Vorverurteilungen rechtsextremer Gewalttäter und klagt andererseits die politische Unterwürfigkeit in Honeckers und Kohls Deutschland an.

Medienhetze

Nicht immer kann er beim Arbeitsgespräch unseren bohrenden Fragen nach den Lehren, die er aus seinem Engagement ziehen mußte, ausweichen. So warnt er uns vor den Folgen einer Heroisierung: „Da wird man aufs Podest gehoben, nachher angepinkelt und wieder runtergeholt!' - und illustriert dies auch an den Schriftstellerschicksalen von Stefan Heym, Christa Wolf und der gnadenlosen Medienhetze, die jene, die „aus der Reihe tanzen”, um „die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen”, mit aller Gewalt wieder zu „Mitläufern” stempelt. Noch vorsichtiger skizziert er seinen Weg vom Fürsprecher der Bürgerbewegungen über die SPD-Galionsfigur hin zu „den Mühen der Ebenen” eines Kommunalpolitikers in Wittenberg. Seine bittere Analyse der Folgen einer hastigen Wiedervereinigung illustriert er präzise mit einem Wandspruch in Leipzig: „Der Kapitalismus hat nicht gesiegt, er ist bloß übriggeblieben!”

Zur Einigung Europas verweist Schorlemmer auf ältere Aussagen: „Die Hausleitung kann sich nicht selbst ernennen, sich von der Geschichte dazu berufen zu fühlen; sie muß von der Mehrheit durch Wahl legitimiert sein. Minderheitenschutz wird ebenso gewährleistet sein wie Opposition nicht bloß zugelassen, sondern als kritisches Korrektiv geradezu erwünscht ist.”

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