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Warum hungerte Ben Bella?

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Der Wirbel um Ben Bella im diplomatischen Dreieck Paris-Rabat-Tunis und seine mannigfaltigen Begleitgeräusche lassen erneut erkennen, daß die Stunde der Entscheidung für Algerien angebrochen ist. Die Verhandlungen, die „von einem Tag auf den anderen beginnen können“ und angeblich weder von der einen noch von der anderen Seite durch Vorbedingungen erschwert sind, wurden wiederum verzögert. Für jene Politiker im französischen und algerischen Lager, die in diesen Tagen mit letztem Einsatz auf eine schnelle Befriedung hinarbeiten, geht die Nervenbelastung heute zweifellos einer ungeheuren Zerreißprobe entgegen.

Der Schlüssel zu allen Geheimnissen um Ben Bella ist die Frage nach dem Hauptmotiv für seinen Hungerstreik. Die diesbezüglichen Erläuterungen aus Paris, Tunis und Rabat sind nicht’ geeignet, die Lösung dieses Preisrätsels zu erleichtern. Begonnen hat der Hungerstreik Anfang November in jenen französischen Gefängnissen, die gegenwärtig an die fünftausend algerische Nationalisten beherbergen. Dieser Protestaktion gegen die Behandlung algerischer Demonstranten anläßlich der Unruhen von Mitte Oktober in Paris haben sich die fünf inhaftierten FLN-Minister im komfortablen Schloß von Turquant anfänglich aus Solidarität angeschlossen, obwohl ihre eigene

Lage kaum Ursache zu Beschwerden bilden konnte.

Tunis und Rabat haben die Demonstration von Anfang an unterstützt. Aber es konnte nicht verborgen bleiben, daß dies mit unterschiedlicher Leidenschaft geschah. Die relative Zurückhaltung der provisorischen algerischen Regierung darf wohl positiv gewertet werden, weil sie das Bestreben zu erkennen gab, die Chancen eventueller Verhandlungen nicht zu schmälern, dabei aber allerdings auch bemüht blieb, den Eindruck von Unstimmigkeit in den eigenen Reihen zu verhindern. Die diplomatische Aktivität des marokkanischen Königs Hassan II., der eine in der personellen Besetzung sehr gewichtige Delegation nach Paris entsandte, ist aus dem Umstand zu erklären, daß sich Rabat in besonderem Maße für das Schicksal ‘Ben Bellas verantwortlich fühlt; seit dieser- als persönlicher Gast des verstorbenen Königs Mohammed bei einem Flug von Marokko nach Tunesien in einer marokkanischen Maschine von der französischen Abwehr 1956 regelrecht gekidnapt wurde. Die Befreiung Ben Bellas ist deshalb für das Königreich ein Politikum, dessen sich die Opposition immer wieder bemächtigt, um das Regime oder wenigstens die frankreichfreundliche Einstellung des Königs zu Fall zu bringen.

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