6842806-1976_01_08.jpg
Digital In Arbeit

Verärgerte Algerier

Werbung
Werbung
Werbung

Die Besetzung des größten Teiles der bisherigen spanischen Territorien Ceuta, Melila und der Hauptstadt El-Aiun durch marokkanische Truppen im Einvernehmen mit der spanischen Verwaltung hat heftige Reaktionen seitens der Bevölkerung dieses Gebietes ausgelöst. Die Marokkaner halten seit dem vergangenen Wochenende die nicht von Europäern bewohnten Viertel der Stadt unter ihrer Kontrolle. Nach Informationen der nationalen Befreiungsfront „El-Polrisario“ und neutraler Beobachter gingen die Marokkaner nach einem offenbar von langer Hand vorbereiteten und mit den Spaniern hinter dem Rük-ken der Zivilbevölkerung, ihrer politischen Vertretung und der übrigen Beteiligten an dem Konflikt um das Sahara-Gebiet abgesprochenen Plan gegen widerspenstige Einwohner vor. Es kam zu Hausdurchsuchungen stellte, daß die Regierung in Rabat über offenbar von ihren Agenten in der Kolonie angefertigte „Schwarze Listen“ verfügt.

Die Zahl der von der Widerstandsbewegung „El-Polisärio“ bewaffneten Kämpfer wird inzwischen auf mindestens zehntausend Personen geschätzt, „El-Polisärio“ hatte bereits erste Gefechte mit den Marokkanern. Der Angriff einer mit Maschinengewehren und Granatwerfern bewaffneten „El-Polisärio“-Einheit auf eine von den marokkanischen Truppen besetzte Kaserne forderte mehrere Verletzte. In Rabat muß man nun damit rechnen, daß sich die Widerstandsbewegung nicht so ohne weiteres kampflos mit der Annexion des Gebietes abfindet.

Die Marokkaner entsandten inzwischen insgesamt viertausend Mann nach Spanisch-Sahara. Über den Inhalt der Absprachen zwischen Rabat und Madrid ist bislang nur wenig bekannt. Sicher ist jedoch, daß die Spanier unter marokkanischer Oberhoheit weiter Militärstützpunkte unterhalten dürfen und auch am Profit der Phosphatvorkommen — wahrscheinlich' der größten der Welt — beteiligt bleiben.

Unklar ist bisher die Reaktion Algeriens, das „El-Polisärio“ aktiv unterstützt und für die nationale Unabhängikeit des Saharagebietes eintritt, von dem es sich einen Freihafen an der Atlantikküste verspricht. In Algier verlautete, man werde das marokkanische Vorgehen auf keinen Fall hinnehmen. Bereits seit längerer Zeit boykottiert man auf dem Flughafen von Algier marokkanische Flugzeuge und man sperrte auch die Grenzstraße zum Nachbarland. Die diplomatischen Beziehungen hängen nur noch an einem seidenen Faden. In Algier kam es verschiedentlich zu Massendemonstrationen gegen Marokko.

In Rabat zeigt man darüber Gelassenheit. König Hassan ließ verlauten, er sei der algerischen Kriegsdrohungen müde. Wenn Algier Krieg wolle, möge es angreifen. Militärische Beobachter sind sich über den Ausgang einer solchen bewaffneten Auseinandersetzungen nicht einig. Die einen glauben, Marokko würde sich mit Sicherheit behaupten und sein politisches System festigen. Die anderen meinen, das Atlasland könnte einem massiven algerischen Ansturm mit den in einem mörderischen Kolonialkrieg geschulten algerischen Kämpfern kaum standhalten und König Hassan spiele angesichts überhandnehmender Schwierigkeiten ein Vabanquespiel. Unsicher ist bis jetzt die Haltung Mauretaniens. Es gibt Anzeichen dafür, daß man das südliche Nachbarland der Sahara an den geheimen Abmachungen zwischen Madrid und Rabat beteiligte. Die Mauretanier können sich allerdings ausrechnen, daß sie vielleicht das nächste Opfer wären, denn in Rabat hat man die Mauretanier schon wiederholt als Untertanen des schertfischen Herrschers klassifiziert.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung