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Die Blume singt nicht mehr

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Mit dem neuen Jahr ist um das ehemals spanische Territorium in der Westsahara zwischen deren näheren und ferneren arabischen Nachbarn Marokko und Mauretanien auf der einen, und Algerien mit Libyen auf der anderen Seite ein so heftiger Konflikt entbrannt, als ob in dem öden Territorium wirklich Gold zu finden wäre. So würde es wenigstens sein arabischer Name Wadi al-Dahab andeuten, der dann im Spanischen zu Rio de Oro geworden ist. Die etwa 60.000 Bewohner der Westsahara wollten mit diesem an el Dorado erinnernden Namen aber sicherlich nur beschönigen, daß es in ihrem Lande bis vor kurzem keine Spur von rotem Gold, sondern nichts als gelben Sand gegeben hat.

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Mit dem neuen Jahr ist um das ehemals spanische Territorium in der Westsahara zwischen deren näheren und ferneren arabischen Nachbarn Marokko und Mauretanien auf der einen, und Algerien mit Libyen auf der anderen Seite ein so heftiger Konflikt entbrannt, als ob in dem öden Territorium wirklich Gold zu finden wäre. So würde es wenigstens sein arabischer Name Wadi al-Dahab andeuten, der dann im Spanischen zu Rio de Oro geworden ist. Die etwa 60.000 Bewohner der Westsahara wollten mit diesem an el Dorado erinnernden Namen aber sicherlich nur beschönigen, daß es in ihrem Lande bis vor kurzem keine Spur von rotem Gold, sondern nichts als gelben Sand gegeben hat.

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Der neuentdeckte Schatz von Rio de Oro, seine reichen Phosphatvorkommen, spielen dennoch bei der Auseinandersetzung zwischen König Hassan von Marokko und dem arabisch-sozialistischen Algerien eine untergeordnete Rolle. Hingegen haben sie für den Entscheid des schon todkranken Franco den Ausschlag gegeben, der Westsahara nicht die geplante Unabhängigkeit, sondern die jetzt vollzogene Teilung zwischen den prowestlichen Marokkanern und Mauritaniern zu bescheren. So darf Spanien nämlich hoffen, daß die bestehenden Eigentumsverhältnisse an den Phosphatgruben auch in Zukunft respektiert werden. Die saharanische Befreiungsbewegung Polisario hingegen, die sich eines starken Rückhaltes bei den Nomaden und unter den „kleinen Leuten“ der Küstenstädte erfreut, hat für den Fall ihrer Machtergreifung die Nationalisierung der Phosphatlager angekündigt. Dieser Entscheid hat weniger mit fremdenfeindlicher Ideologie als mit der Überlegung zu tun, daß das Land nur so die Mittel für seine Selbstentfaltung in die Hand bekommen könne.

Was das massive Engagement Marokkos für den „Anschluß“ der Sahara betrifft, so spielt hier in erster Linie das Prestige des Königs in Rabat eine Rolle. Die Forderung nach Wiedergewinnung, des in grauer Vorzeit einmal marokkanischen Südens, war seit Jahren integraler Bestandteil des Parteiprogramms der sich in Marokko sehr nationalistisch gebärdenden sozialistischen Istiqlal-Opposition. Als diese starke Arbeiter- und Bauernbewegung Hassan neuerdings heftig zuzusetzen begann, wurde der Schwung ihrer Massen von dem schlauen Monarchen in Richtung Westsahara abgelenkt. Mit dem großen Volksmarsch vom vergangenen November wurden Marokkos innere Spannungen wie durch ein Ventil abgelassen. Die jetzige militärische Okkupation . bietet den Truppen des Königs zudem eine Art von Ablenkungstherapie.

Mauretaniens Rolle ist hingegen nur die eines marokkanischen Erfüllungsgehilfen, der dafür mit einem wertlosen Zipfel des spanischen Erbes abgespeist wurde. Algerien das bisher nur die Polisario für seine Interessen in der Sahara marschieren und plänkeln ließ, ist nun mit libyscher Rückendeckung selbst auf den Plan getreten.

Vorerst wird der algerisch-marokkanische „Saharakrieg“ allerdings primär nicht mit Bomben und Granaten, sondern mit Hilfe von Botschaftern, Gastarbeitern und Filmdiven geführt. Beide Staaten haben ihre Missionschefs aus der „gegnerischen“ Hauptstadt abberufen. Algier weist einen marokkanischen Geschäftsmann nach dem anderen aus, und die marokkanische Fremdenpolizei schafft die einst willkommenen algerischen Arbeiter lastwagenweise an die Grenze. Den größten Wirbel hat es allerdings nicht um diese bedauernswerten Opfer des Konflikts, sondern wegen der Sängerin Warda al-Dschazairia, zu deutsch „Blume aus Algerien“, gegeben.

In der Zwischenzeit kam es zu Kämpfen, in denen 200 Algerier und „Polisario“-Kämpfer gefallen sein sollen. Sechs Araberstaaten und ein Sendbote des UNO-Generalseketärs suchen zu vermitteln. Das Resultat könnte dem ähneln, was sich die abziehenden Kolonialherren vorgestellt haben.-

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