6879927-1979_05_27.jpg
Digital In Arbeit

Graue Zinstheorie

Werbung
Werbung
Werbung

Obwohl die Erfahrungen damit denkbar schlecht sind, wird immer wieder versucht, gewisse Preise ohne Rücksicht auf die Markttendenzen, manchmal sogar gegen sie, festzusetzen. Evergreens auf diesem Gebiet sind die Altbaumieten und die Zinsen für Spareinlagen.

Bei letzteren geht man, aufgescheucht durch das permanente Grollen Anton Benyas über die grauen Zinsen, gerade

wieder einmal ernsthaft daran, die nicht ernstgemeinten Erkenntnisse Christian Morgensterns zu verwirklichen: Was nicht sein darf, soll künftig auch nicht möglich sein können; nämlich höhere („graue“) Zinsen für Spareinlagen zu zahlen, als sie im sogenannten Habenzinsabkommen für den gesamten Kreditapparat verbindlich festgelegt sind.

Um durchzusetzen, was ja auch schon bisher Vorschrift war, sollen der Kontrollmechanismus wirkungsvoller und das System selbst flexibler gestaltet werden.

Ich bin trotzdem skeptisch, daß aus den bösen Buben plötzlich lauter Musterschüler werden. Erstens wird durch ein neues Stück Papier das durch die Freigabe der Filialgründung ausgelöste Gerangel um Einlagen keineswegs aus der Welt geschafft. Und zweitens finden sich mit der Zeit auch bei einem noch so ausgeklügelten System immer Umgehungsmöglichkeiten - siehe Bonus-Malus bei der Kfz-Haftpflicht.

So hört man beispielsweise, daß sich bilanzsummenbewußte Filialleiter um die Eintragung von Steuerfreibeträ-geh für ihre Kunden kümmern. Der Aufwand für derartige bankunübliche Dienstleistungen ließe sich unschwer in „graue“ Prozente umrechnen und zu den offiziellen Zinsen addieren.

Im übrigen halte ich die gesamte Diskussion um die grauen Zinsen für unehrlich und unnötig.

Für unehrlich, weil der Gewerkschaftsbund auf der einen Seite lautstark gegen die „unsozialen“ grauen Zinsen polemisiert, seine Bank, die BAWAG, auf der anderen Seite aber als Spitzenreiter bei den grauen Zinsen gilt.

Für unnötig, weil man durch das Verbot, für höhere Einlagen höhere Zinsen zu zahlen, möglicherweise den Gerechtigkeitssinn einzelner Sparer befriedigt, keinem von ihnen aber zu einer höheren Verzinsung seines Kapitals verhilft. Durch den Kauf von festverzinslichen Wertpapieren (Anleihen, Pfandbriefe) konnte und kann sich jedermann eine Verzinsung seiner Ersparnisse sichern, die selbst mit den grauen Zinsen für Großeinleger Schritt halten kann.

Es wäre den Sparern mehr gedient, würde man die Energie, mit der die grauen Zinsen (bisher ohnehin erfolglos) bekämpft werden, für die allgemeine Verbreitung der Tatsache einsetzen, daß der Kauf und der Verkauf von festverzinslichen Wertpapieren heute nicht länger dauert als das Einlegen auf und das Abheben von einem Sparbuch und auch keineswegs risikoreicher ist. HANS PETER HALOUSKA

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung