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Umgehungswettbewerb

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Auch das neue Habenzinsabkommen wird, so vermutete ich Ende Jänner an dieser Stelle, das Stück Papier nicht wert sein, auf dem es steht. Es ist es nicht wert: Knapp ein Vierteljahr nach dem Inkrafttreten des Abkommens, mit dem die Zinsen für Spareinlagen verbindlich geregelt werden, wird es praktisch hinten und vorne umgangen.

Daran ändert auch die Androhung von strengen Strafen nichts. Das Schiedsgericht, das die Einhaltung des Verbots, graue Zinsen zu zahlen, überwachen soll, hat sich pikanterweise nicht einmal noch konstituiert.

Durch den Wegfall der zinsenlosen zwei Wochen beim

Sparbuch wurden die Sparkonten zu Girokonten umfunktioniert: Wer clever ist, läßt sein Girokonto jetzt täglich abräumen und den Kontostand auf sein Sparbuch umbuchen. Er erhält dann für seine täglich behebbaren Einlagen - ohne sonstige Nachteile! - vier Prozent Zinsen statt der beim Girokonto vorgesehenen lächerlichen 0,25 Prozent.

Beim Sparbuch selbst kommt man auch ohne Eingehen einer, längeren Bindungsfrist „völlig legal“ über den Eckzinssatz von derzeit vier Prozent hinaus: Die verpönten grauen Zinsen heißewjetiWialtf' vornehm „Wertßaplerspai buch“ oder ähnlich.

Ich werde das Gefühl nicht los, daß die Kreditinstitute das neue Habenzinsabkommen nur deshalb so bereitwillig unterzeichnet haben, weil jedes von ihnen meinte, die besseren

Umgehungsmöglichkeiten schon in der Schublade zu haben. Der Konditionenwettbewerb wurde durch den Umgehungswettbewerb ersetzt.

Wie unehrlich es hier zugeht sieht man auch daran, daß gerade jene, die am lautesten gegen die „unsozialen“ grauen Zinsen wetterten, den Geist des Abkommens am ungeniertesten verletzen: Die BAWAG bedankt sich bei Pensionisten für die Eröffnung eines Sparbuches mit einem zweiwöchigen Österreichurlaub und offeriert über ihr nahestehende Sparvereine fünfeinhalb statt der erlaubten vier Prozent Zinsen für täglich fällige Spareinlagen.

Die Sparvereine legen die Gelder bei der BAWAG langfristig an, verteilen die höheren Zinserträge auf ihre Mitglieder und halten selbst nur eine kleine Barreserve. Anders ausgedrückt: Der BAWAG wurde eine Quasi-Bank vorgeschaltet, die dann doch tut, was die BAWAG offiziell nicht tun darf.

So vorhersehbar die Umgehung des Habenzinsabkommens ist, so müßig ist es vermutlich, sich darüber aufzuregen. Wir werden vermutlich noch längere Zeit damit leben müssen. Eine Außerkraftsetzung nach nur drei Monaten Geltungsdauer wäre ein wohl zu schwerwiegender Gesichtsverlust für den Kreditapparat und würde möglicherweise auch bei den Sparern zur Verunsicherung führen. Auf Sicht sollte man freilich daraus lernen.

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