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„Große Koalition“ für Mattersburg

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Das Tauziehen um das „Institut für politische Bildung“ in Mattersburg scheint beendet zu sein. Man hat sich auf Parteiebene geeinigt. Seit vielen Jahren ist der Name Mattersburg für Erwachsenenbüdner - und hier vor allem für diejenigen, die mit politischer BUdung befaßt sind - ein Reizwort. Das Unbehagen über das in der kleinen burgenländischen Stadt geplante Institut geht, unabhängig vom politischen Standort, quer durch die Verbände der Erwachsenenbüdung. Verständlich, wenn man weiß, daß die seit 1974 laufenden Verhandlungen über die Gestaltung des Institutes nicht etwa im Einvernehmen mit den Verbänden - für die doch in erster Linie Modellegeschaffen werden sollen—, erfolgt sind, sondern beinahe „unter Ausschluß der Erwachsenenbildung“.

Von Anfang an war das Institut in Mattersburg weit weniger eine Frage der sachlichen Auseinandersetzung über politische Bildung als vielmehr ein machtpolitisches Problem zwischen den beiden Großparteien. Auf der einen Seite standen vier „schwarze“ Verbände der Erwachsenenbü- dung (die Wirtschaftsförderungsinstitute der Handelskammern, die Landwirtschaftlichen Fortbildungsinstitute, der Ring österreichischer Bildungswerke und der Ring der Bildungsheime) drei „roten“ (dem Berufsförderungsinstitut von Arbeiter- kammem und ÖGB, den Volkshochschulen und den Volksbüchereien) gegenüber. Die Regierung wollte, um ihr Übergewicht gewahrt zu wissen, daß zwei SPÖ-Mmisterialräte im Institut vertreten seien.

Dieses theoretische Übergewicht ist nun nahezu ohne Bedeutung, da sich die beiden großen Parteien proporzmäßig geeinigt haben, je einen Vertreter der SPÖ und der ÖVP als Geschäftsführer einzusetzen, die das Institut sowohl organisatorisch als auch inhaltlich ab Herbst 1977 leiten sollen. Prof. Dr. Walter Göhring ist derzeit Volksbildungsreferent in Ei senstadt, Prof. Dr. Gottfried Pfeiffen- berger stammt aus Salzburg und lehrt Politologie in Münster.

Die von den Verbänden der Erwach- senenbüdung befürchtete Verein- nahmung des Institutes durch die Regierung ist somit nicht eingetreten. Aus zwei Gründen ist das Unbehagen jedoch keineswegs kleiner geworden: Mehrere Jahre schon werden die für das Institut in Mattersburg und die geplante ORF-Akademie vorgesehenen Mittel in Höhe von zehn Milhonen Schüling aus dem Budget für die Erwachsenenbildung zurückgehalten. Bisher wurde dieser Betrag am Ende jeden Jahres an die Verbände verteilt. In absehbarer Zeit wird er den Verbänden nun endgültig verlorengehen. Das Institut, für das fast 15 Prozent des gesamten Budgets erforderüch sein werden, geht also zu Lasten der Verbände, deren finanzielle Situation ohnehin immer schwieriger wird. Selbst die prinzipiellen Befürworter des Institutes in Mattersburg bezeichnen seine Errichtung auf Kosten der Verbände als finanziell untragbar.

Darüber hinaus hat die fehlende Kooperation mit den Einrichtungen der Erwachsenenbildung dazu geführt, daß der Sinn des Institutes von den Verbänden stark bezweifelt wird. Das Interesse an Politik in der österreichischen Bevölkerung ist äußerst gering. In den Schulen soll Politische Bildung in Kürze als Unterrichtsprinzip für alle Fächer verpflichtend eingeführt werden. Bisher ist der Versuch, Politische Bildung im Rahmen der Erwachsenenbildung an den Mann zu bringen, fehlgeschlagen, stellen die Verbände selbst fest. Die einzige Form, in der sie vermittelt werden kann, ist die Verpackung in konkrete und sachbezogene Probleme, mit denen der Staatsbürger unmittelbar konfrontiert wird. Das Interesse an kommunalen Belangen ist zweifellos vorhanden; für theoretische Modelle fehlt in der breiten Bevölkerung jede Voraussetzung.

Auf Grund dieser Erfahrungen stellen sich die Verbände nun die Frage, in welcher Form ein Institut für politische BUdung mit seinen theoretischen Modellen für ganz Österreich der Vielfalt an konkreten Bedürfnissen gerecht werden soll. Einige Verbände nehmen an, daß das Institut mit seinen Vorstellungen zu hoch ansetzt. Da das Basiswissen fehlt, können Modelle wieder nur einem auserwählten Kreis bereits Vorgebüdeter zugute kommen (Dr. Stimmer, Verband österreichischer Büdungswerke; Dr. Eichler, Katholisches Bildungswerk). Senatsrat Müller von den Volksbüchereien begrüßt die Einrichtung des Institutes, wenn es, wie die offizielle Version lautet, Materialien zur politischen Bil- dung hersteüen soll. Ob das Institut sinnvoll ist, werde in erster Linie von der Qualität und der Brauchbarkeit dieser Materialien abhängen. Die Befürchtung, es könne in Mattersburg so etwas wie eine weitere politische Akademie entstehen, hält Müller nicht für ganz unbegründet.

Modelle, die allen Erfordernissen und Vorstellungen gerecht werden, müßten „sterü“ werden. Es wäre sogar möglich, daß diese abstrakten Modelle des Institutes in Mattersburg die bereits bestehenden konkreten der einzelnen Erwachsenenbildungseinrichtungen „umbringen“. Bedenken äußert auch Landtagsabgeordneter Fi- desser von der ÖVP Niederösterreich. Einerseits ist zu erwarten, daß der Einsatz von zwei Geschäftsführern ein ideologisches Abgleiten verhindert, anderseits aber könnte es sehr bald in Mattersburg eine SPÖ- und eine ÖVP-Abteilung geben.

Bis heute fehlt jedenfalls ein klares Konzept. Das ist es, was den Verbänden neben der großen finanziellen Belastung das meiste Kopfzerbrechen macht. Sie befürchten, daß das auf ihre Kosten errichtete Institut in Mattersburg für sie nicht nur ein finanzielles, sondern auch ein sachliches Verlustgeschäft werden könnte.

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