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Heinrich Heine - Heinrich Boll

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Wer zuerst auf diesen Gedanken gekommen war, ist schwer festzustellen, doch der Plan, die Verleihung des Nobelpreises in Literatur für das Jahr 1972 mit einer Ausstellung aller jener Bücher und Dokumente zu verbinden, die mit Heinrich Heine in Verbindung gebracht werden können, und diese Ausstellung durch den Nobelpreisträger Heinrich Boll eröffnen zu lassen, verdient unter allen Umständen uneingeschränktes Lob und die höchste Anerkennung, und das aus mehr als einem Grund.

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Wer zuerst auf diesen Gedanken gekommen war, ist schwer festzustellen, doch der Plan, die Verleihung des Nobelpreises in Literatur für das Jahr 1972 mit einer Ausstellung aller jener Bücher und Dokumente zu verbinden, die mit Heinrich Heine in Verbindung gebracht werden können, und diese Ausstellung durch den Nobelpreisträger Heinrich Boll eröffnen zu lassen, verdient unter allen Umständen uneingeschränktes Lob und die höchste Anerkennung, und das aus mehr als einem Grund.

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Das Ausstellungsmaterial ist dem Buchbestand und den Archiven der Königlichen Bibliothek in Stockholm entnommen, die auch den Ausstellungsraum zur Verfügung stellt. Es enthält nicht nur so manches längst ungreifbar gewordene Buch von und über Heine, es erinnert auch daran, wieviel es hier gibt, das der Wiederentdeckung wert wäre. Das Bild dieses Dichters ist ja in den Augen des an der Literatur nur mäßig interessierten Zeitgenossen immer noch verschwommen und undeutlich. Das gilt ganz sicher für den Bürger deutscher Zunge, wie immer neue Streitschriften zum „unsterblichen Thema HH“ beweisen. Aber auch das zeitgenössische gebildete schwedische Publikum und das der anderen nordischen Länder hat hier manches gutzumachen. ,

Es ist eine überraschende und in gewisser Hinsicht auch peinlich anmutende Entdeckung, daß Heinrich Heine einmal auf die Dichtung in den Ländern des Nordens einen weit größeren Einfluß ausgeübt hat als irgendein anderer deutscher Poet des vorigen und auch unseres Jahrhunderts. Peinlich wohl vor allem für jene deutschen Mitbürger, die die Weltgeltung Heines nicht wahrhaben wollen. Vor einer Reihe von Jahren schon, anläßlich des hundertsten Todestages Heines, erinnerte der schwedische Schriftsteller Johannes Edfelt an das große Ansehen, das Heine gerade im Norden genossen hat und das in jenen dunklen Zeiten der deutschen Geschichte — in jenen zwölf Jahren, die die Welt erschütterten — vom neuen auflebte und die Welt daran erinnerte, daß es neben dem braununiformierten und stiefeltrampelnden auch noch ein anderes Deutschland gab. Die Worte: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht..sind wohl jedem gebildeten Schweden geläufig, sowenig er sonst auch aus deutschen Gedichten zu zitieren vermag.

Einige der ganz Großen der nordischen Literatur und des nordischen Geisteslebens standen nachweisbar unter starkem Einfluß der Dichtungen Heines. Johannes Edfelt nennt in seinem Buch u. a. H. C. Andersen, Ibsen, Vinje, Rydberg, Snoilsky, Strindberg und Gustav Fröding. Noch in den dreißiger Jahren — als in Deutschland Heines Werke auf den Scheiterhaufen gewandert waren — beschwor der finnisch-schwedische Dichter Arvid Mörne in einem ergreifenden Gedicht den Geist Heinrich Heines als Licht in der Dunkelheit, als den Freund der Armen, die Geißel der Hochmütigen, den Rebellen im Paradies der Philister, und er sehnte sich nach dem befreienden Lachen Heines über die Hohlheit „gekrönter Narren in unterdrückten Ländern“.

Im Gegensatz zur Situation in Deutschland brachten die letzten Jahrzehnte im Norden jedoch nur wenig neue Schriften über Heine. Es kamen einige dünne Bändchen heraus, außer der bereits genannten Schrift von Edfelt auch ein Band Gedichte, übersetzt von dem vor wenigen Jahren verstorbenen Dichter Türe Nerman, doch sonst ist es hier um Heine ziemlich still geworden. Ist diese Ausstellung in der Königlichen Bibliothek zu Stockholm das erste Anzeichen einer Wende zum Besseren? Man möchte es wünschen. Wie in Deutschland selbst, so hat es ja auch im Norden in der Wertschätzung Heines immer ein Auf und Ab gegeben. Es ist durchaus möglich, daß Heinrich Bolls Präsentation Heines einen Wendepunkt darstellt Heinrich Boll hat bekanntlich viele Jahre auf der Liste der Anwärter für den Nobelpreis gestanden, aber Heinrich Heine, lebte er in unserer Zeit, würde ganz sicher bei den würdigen Herren der Königlichen Schwedischen Akademie auch manches Stirnrunzeln erregt haben, hat doch sogar die Universität seiner eigenen Vaterstand sich noch immer nicht dazu aufraffen können, seinen Namen mit dem ihren zu verbinden.

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