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Manche mögen’s zynisch

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Zeitungsjournalisten und Fernsehredakteure, Buchautoren und Filmhistoriker bemühen sich, an ihn heranzukommen. Retrospektiven werden organisiert und dicke Bücher über seine Arbeit erscheinen. Dennoch ist er der Meinung: „Ich bin kein Professor, ich nehm’ das alles nicht so ernst, wie die das nehmen.“

Er wurde am 22. Juni vor 75 Jahren geboren. Seine Mutter nannte ihn Billie, obwohl er 1906 als Samuel in Such- a, Provinz Galizien (heute Polen), zur Welt kam. Das gehörte damals zum Bereich der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Das Realgymnasium besuchte er in Wien, begann dann auch ein Jusstudium, war aber bald als Journalist in Wien, ab 1926 in Berlin tätig.

Wilder hat an über sechzig Filmen - in verschiedenen Funktionen - mitgearbeitet, wahrscheinlich waren es viel mehr. Vor allem in Berlin arbeitete er ohne Namensnennung an angeblich fast fünfzig Filmen als Ideenbringer mit.

Über die Zeit der Wende vom Stumm- zum Tonfilm sagte er: „Der Walter Reisch war damals mein großes Vorbild, das war mein Gott.“

Der Wiener Reisch hat wie Wilder damals Mitte der zwanziger Jahre denselben Weg eingeschlagen als Journalist und Filmautor, später als Regisseur. Er war auch Autor der frühen Willi-Forst-Filme.

Die Wege von Wilder und Reisch kreuzten einander wieder in den USA bei einem Film von Ernst Lubitsch mit Greta Garbo: „Ninotschka“. Wilders wahrscheinlich wichtigste Arbeit in Berlin, die ihn auch heute noch durch Cineasten in den Rang eines Avantgardisten hebt, war seine Mitarbeit an „Menschen am Sonntag“ (1930), einem Film, der einen neuen Dokumen- tarstil zu entwickeln suchte.

Gute Erfolge im jungen deutschen und österreichischen Tonfilm verhinderten nicht, daß auch Wilder 1933 die Konsequenz ziehen mußte: „Emigriert,

das hört sich immer so harmlos an, so vornehm! Ich bin geflohen!“

Uber Paris kam er 1934 in die USA. Reisch erzählte mir einmal von den Bedingungen, die die Filmemigranten dort vorfanden, wie sie einerseits gut aufgenommen wurden, aber wie ungeheuer schwierig es war, in das Produktionssystem integriert zu werden. Es gab echte Ausländergruppen, die sich gegenseitig halfen.

Gerade Wilder hat in seinen amerikanischen Filmen Europa nie vergessen, z. B. in „Irma la Douce“ (Paris) oder in „Avanti, Avanti“ (Italien). Auen der Stil seiner Bücher und die Art seiner Schauspielerführung erinnern oft an europäische Traditionen eines Max Reinhardt oder Ernst Lubitsch.

Marilyn Monroe spielte in zwei für ihre Karriere wichtigen und typischen Filmen bei Wilder mit, in „Das verflixte 7. Jahr“ und in „Manche mögen’s heiß“. Wenn man heute über den Mythos Monroe nachliest und mit den Filmen vergleicht, dann kann man leicht erkennen, daß es Wilder schon vor vielen Jahren war, der das Talent der Monroe erkannt hatte, es einzusetzen wußte, gleichzeitig aber eindeutig diesen Mythos zu zerstören begann. Damit übte er Kritik am amerikanischen Produktionssystem, am Starkult und an dem mühsamen Versuch der Amerikaner, über sexuelle Probleme mit Sexsymbolen hinwegzukommen.

Jack Lemmons Kunst entfaltete sich gerade in den Wilder-Filmen, Gary Cooper fand neue Nuancen und Audrey Hepburn und Shirley McLane erreichten neue Höhepunkte ihrer Karriere.

Die Fülle der berühmten Filme und ihrer Stars nach 1945 ist groß, dennoch sind Wilders Arbeiten nicht als Starfilme zu bezeichnen, sondern als kritische, manchmal groteske, manchmal zynische Studien über menschliches Verhalten und menschliche Sehnsüchte. Nicht umsonst war Wilder in seinen frühen Jahren Journalist gewesen. Noch 1979 sagte er: „Man muß da genau vorausdenken, überlegen: was ist aktuell und gleichzeitig zeitlos genug?“

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