7021873-1988_48_01.jpg
Digital In Arbeit

Mayerlings Rätsel

Werbung
Werbung
Werbung

Fast genau 100 Jahre beschäftigt Mayerling die Historiker, und jetzt gibt der Ort im Wienerwald auch noch kirchlich Interessierten Rätsel auf: Woher kommen und wohin gehen dereinst die im dortigen Studienhaus „Collegium Sanctissimae Trinitatis“ wohnenden und an der Philosophisch-Theologischen Hochschule des Zisterzienserstiftes Heiligenkreuz studierenden jungen Männer? Hatten (oder haben) mehrere davon ein Nahverhältnis zum mehr als umstrittenen „Opus An-gelorum“ (Engelwerk) oder zur Lefebvre-Bewegung? Entsteht hier eine Konkurrenz für das Wiener Priesterseminar?

Sowohl Ordinariatskanzler Ernst Pucher von der Erzdiözese Wien als auch Dekan P. Augustinus Fenz von der Hochschule Heiligenkreuz wollten sich gegenüber der FURCHE zu diesem Thema in keiner Weise äußern und verwiesen auf den Träger des in einem Gebäude der Hartmannschwestern untergebrachten Studienhauses: das Wiener Oratorium des heiligen Philipp Neri, dessen Präpositus, Heribert Bastei, das Collegium leitet. Aber auch Bastei war zu keiner Stellungnahme bereit.

Die Vorgeschichte des Collegi-ums, aus dem laut neuer Statistik 20 der insgesamt 104 Heiligenkreuzer Studenten kommen, begann 1986. Damals verließen zwölf im Studienhaus „Rudolfinum“ untergebrachte Studenten Heiligenkreuz, besuchten einen Einführungskurs des Opus Angelo-rum (OA) auf der Insel Madeira und gingen dann auf die OA-Hochschule in Brasilien.

Fünf dieser zwölf Studenten kamen 1987 nach Heiligenkreuz zurück und begehrten vergebens Wiederaufnahme ins Rudolfinum. Schließlich bezogen sie in Mayerling Quartier, und weitere an einem Studium in Heiligenkreuz Interessierte stießen dazu.

Der Münchner Weihbischof Heinrich von Soden-Fraunhofen sagte zur FURCHE, er wisse „aus unmittelbarer Quelle“, daß ein Engelwerk-Priester namens Morscher, ehemals Missionar vom kostbaren Blut, mit dem Zustrom nach Mayerling zu tun habe.

Von Soden gilt als einer der besten Kenner und schärfsten Gegner der OA-Lehren und hat am 24. Juni 1988, gerade an glaubenstreue Katholiken gerichtet, betont, „daß es sich beim Engelwerk um eine Gemeinschaft handelt, deren äußere Erscheinung mit der geheimgehaltenen Wirklichkeit nicht übereinstimmt“.

Das Engelwerk, 1961 in der Diözese Innsbruck errichtet, hält die meisten seiner Schriften streng geheim. Angeblich fußen sie auf Privatoffenbarungen, die der Tirolerin Gabriele Bitterlich zuteil geworden sein sollen. Erst als immer mehr aus diesen Schriften bekannt wurde, geriet das inzwischen weit verbreitete Werk ins Zwielicht.

Die Glaubenskongregation in Rom beantwortete im September 1983 eine Anfrage der Deutschen Bischofskonferenz deutlich: Das Engelwerk müsse sich der Lehre der Kirche unterwerfen, dürfe keinen aus einer angeblichen Privatoffenbarung abgeleiteten Engelkult mit „Namen“ betreiben (das Engelwerk führt eine Liste von 400 Engeln, die zum Teil Gott vorbehaltene Namen wie „Jahwe“ tragen, und von 200 Dämonen), dürfe seinen Mitgliedern kein „Schweigeversprechen“ abverlangen und müsse alle liturgischen Normen streng beachten. Dabei lag der Glaubenskongregation das erst später aufgetauchte OA-„Handbuch“ noch gar nicht vor.

Die Deutsche Bischofskonferenz kam im Februar 1988 zu dem Schluß, „daß das Engelwerk die Auflagen des Apostolischen Stuhles vom Jahr 1983 nicht erfüllt hat“. Einige deutsche Diözesen, allen voran München, verboten daraufhin alle Aktivitäten des Engelwerkes und des damit verbundenen Ordens der Regularka-noniker vom Heiligen Kreuz. Der konservative holländische Theologe Johannes P. M. Van der Ploeg fällte über das Engelwerk ein vernichtendes theologisches Urteil („Una-Voce-Korrespondenz“, Mai/Juni 1988).

Sucht das Engelwerk nun Zuflucht in Österreich? Hier ist seine Zentrale in St. Petersberg bei Silz in Tirol. Hier fungiert der mit Hilfe des Engelwerkes in Anapolis (Brasilien) zum Priester geweihte Kaplan Reinhard Knittel als Sekretär des einflußreichen Wiener Weihbischofs Kurt Krenn im Rat für Kunst und Kultur der Erzdiözese Wien.

Viele Fragen sind offen. Wie sehr sind die hauptsächlich aus Süddeutschland stammenden Mayerlinger Studenten dem Engelwerk (noch) verbunden? Auf welche Diözesen sollen diese Studenten dereinst geweiht werden? Sind auch ehemalige Lefebvre-Leute dabei? Der in Heiligenkreuz Gastvorlesungen haltende Salzburger Neutestamentier Wolf gang Beilner meint: „Zumindest einer argumentiert konsequent mit wörtlichen Zitaten aus Lefebvre-Schriften.“

Beilner plädiert für mehr Offenheit über Mayerling: „Ich bin durchaus dafür, daß man versucht, solche Leute zu integrieren. Nur soll man das sagen. Wenn in Mayerling alles in Ordnung ist, müssen die Betroffenen dankbar sein, wenn das ans Licht kommt. Und wenn etwas nicht in Ordnung ist, dann muß die Kirche dankbar sein, wenn es ans Licht kommt.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung