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Und Rom schweigt

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Der Endkampf zwischen gu - ten und bösen Geistern ist das beherrschende Thema in den Schriften des Engelwerkes. Ist es da ein Wunder, wenn sich am En- gelwerk selbst die Geister schei- den?... Für die einen ist das OA (Opus Angelorum = Engelwerk) eine besonders fromme, wirklich katho- lische Organisation, die an den be- sten Traditionen der Kirche fest- hält. Aus Sicht der anderen handelt es sich beim Engel werk um eine ge- fährliche Sekte, deren Leitung die Anhänger religiös und wirtschaft- lich ausbeutet, mit der Angst re- giert und die ganze Kirche unter- wandern und in ihre Macht bringen will. Diese extremen Standpunkte sind unvereinbar und die Kontra- henten wirken unversöhnlich. Bei- de meinen, die Kirche retten zu müs- sen, die einen durch das Engelwerk, die anderen vor dem Engel werk." (Seite 256)

In dieser konflikthaften Situa- tion ist es das nicht hoch genug einzuschätzende Verdienst des Bu- ches „Das Engelwerk" von Heiner Boberski, in glänzender Weise zu informieren: Über Ursprung und Geschichte des Engelwerks, über dessen Theologie und Spiritualität, über die zwielichtigen Hintergrün- de und die gegenwärtige kirchen- politische Situation (vor allem in Deutschland, in Österreich und in Rom). Das Buch ist hervorragend recherchiert - was angesichts der Schweigegebote und geheimbünd- lerischen Praktiken nicht leicht ist -, flüssig geschrieben, übersicht- lich angeordnet und gut dokumen- tiert (Quellen-, Schriften- und Se- kundärliteraturverzeichnis).

Obwohl ich in meiner Eigenschaft als Berater der Glaubenskommis- sion der Deutschen Bischofskonfe- renz bereits über etliche Hinter- grundinformationen über das En- gelwerk verfügte, gestehe ich ger- ne, daß ich das Buch mit ganz gro- ßem Gewinn zur Kenntnis genom- men und viele zusätzliche Informa- tionen erhalten habe. Ja, in den letzten Jahren habe ich kaum ein Buch mit so viel Spannung und Interesse gelesen wie dieses.

Denn es stellt eine durch und durch fesselnde Lektüre dar, die man in einem Zug durchliest, sei es, weil einen die aktuellen kirchenpo- litischen Hintergründe interessie- ren, sei es, weil einem Taktik und Psychoterror der Sekte unter die Haut gehen, sei es, weil man über deren Rassismus entsetzt ist (so gibt es zum Beispiel Dämonen, die durch „Zigeuner" durchstrahlen, andere, die für „jüdische Viertel" zustän- dig sind) oder weil man über die phantastisch-beängstigenden Of- fenbarungen des Engelwerks nur noch den Kopf schütteln kann, so, wenn es von jenen Dingen, die durch Einstrahlung von Dämonen verän- dert werden können, heißt: „Emp- fänglich für dämonische Strahlun- gen sind: Am meisten die grauen, gefleckten und schwarzen Katzen, die gefleckten und schwarzen Hen- nen, die Schweine und die glatt- haarigen Hunde, die Schmeißflie- gen, Ratten und Schlangen... Stark und schädlich strahlend wirken durch die Schwarze Magie: Frisch- gerissene Federn von lebenden schwarzen Hennen, Tierhaare, be- sonders von Kühen, Katzen, Schweinen, Federn von Hahn, Pfau, Krähe, Tierzähne und -klauen, fri- sches Eingeweide..."

Der Verfasser bemüht sich durch- gehend um journalistische Objek- tivität und Fairneß, er bleibt zu- meist in der nüchternen Distanz des Beobachters, der schildert und darlegt, wie er es sich selbst im Vor- wort vornimmt: „Mein Anliegen ist, der interessierten Öffentlichkeit einigermaßen einen Überblick über das Thema Engelwerk zu verschaf- fen ... Ich kann und will dem Leser die Entscheidung, ob ihm das En- gelwerk oder seine Gegner glaub- würdiger erscheinen, nicht abneh- men." (Seite 9)

Doch bleibt man bei der Lektüre nicht im unklaren über die eigene Einstellung des Verfassers: Skepsis und Ablehnung gegenüber dieser esoterischen, von kabbalistischen Ideen durchsetzten, gnosis-nahen, angsterregenden, die Mitte des Christlichen verstellenden und dazu noch von magischen und skurrilen Elementen mitgeprägten Sekte.

Wenn ich als Theologe am vorlie- genden Buch etwas auszusetzen habe (was ich aber nicht dem Autor vorhalte, da dieser sich von vorn- herein auf eine „Berichterstattung" beschränkt), so ist es die Zurück- haltung im theologischen Urteil. Wenn man nämlich die Schriften des Engelwerks (vor allem das „Handbuch") eingehend studiert und dazu noch die in verschiedenen Protokollen wiedergegebenen mündlichen Unterweisungen, kann man nur zu dem Ergebnis kommen, daß die hier vertretenen Lehren unkatholisch sind, eine Verdun- kelung des Evangeliums, eine Ent- stellung des christlichen Glaubens.

Daß dies von manchen Bischöfen und auch von der Römischen Glau- benskongregation bisher nicht klar genug gesagt wurde, wirft ein be- denkliches Licht auf die betreffen- den Amtsträger. Es ist nachgerade unerträglich, daß man von Seiten Roms mit der Kritik an einigen Auswüchsen einiger Befreiungs- theologien, mit der Verurteilung einzelner theologischer Quisquilien und mit der Einschärfung von - in der Skala der Glaubenswahrheiten allenfalls am Rande liegenden - moraltheologischen Normen sehr schnell bei der Hand ist, daß man aber da, wo es um die Mitte des Christlichen geht, jämmerlich schweigt oder butterweiche Moni- ta von sich gibt. Warum eigentlich? Nur weil das Engelwerk fünfzig Kardinäle und Bischöfe zu Anhän- gern oder Sympathisanten zählen soll und man sich nicht „traut"? (Seite 264) Quousque tandem?

Wenn ein ehemaliges Mitglied des Engerwerks sagt: „Es ist ein reli- giös getarnter Aids-Virus, der in die Zellen der Kirche eindringt, in die Familien, in die Pfarren, in die Klöster und dort die religiösen Zel- len umfunktioniert in Engelwerk- hörige Zellen", sollten allmählich auch in Rom die Glocken läuten.

DAS ENGELWERK Ein Geheimbund in der katholischen Kirche? Von Heiner Boberski. Otto Müller Verlag, Salzburg 1990,288Seiten, brosch. öS 238.-

Der Autor ist Ordinarius für Dogmatik an der Universität Freiburg

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