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Deutsche Gastarbeiter im Talar?

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Werden demnächst Absolventen aus Mayerling einen ansehnlichen Teil des Priesternachwuchses von Wien und Salzburg stellen?

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Werden demnächst Absolventen aus Mayerling einen ansehnlichen Teil des Priesternachwuchses von Wien und Salzburg stellen?

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Die Realität von Heiligenkreuz im südlichen Wienerwald können Pauschalurteile („Hort der Konservativen", „Engel werk") nicht treffen, vielmehr gilt es, zwischen den dortigen wichtigen Einrichtungen (Stift, Hochschule, Studienhäuser) zu unterscheiden und einzelne Strömungen weder über- noch unterzubewerten.

Faktum ist, daß einige Patres des ehrwürdigen Zisterzienserstiftes dem Engelwerk angehören, sich aber im Gesamtkonvent sicher in der Minderheit befinden. In noch höherem Maß gilt das für den Lehrkörper der dem Stift angeschlossenen Philosophischtheologischen Hochschule, der sich vor mehr als zwei Jahren unter dem damals neuen Dekan P. Norbert Stig-ler mehrheitlich vom Opus Angelo-rum distanzierte. Mehrere Lehrkräfte unterrichten auch an staatlichen Fakultäten und lassen sich bestimmt nicht als „konservativ" abstempeln, genausowenig wie der dem Stift zugehörige P. Franz Edlinger, der das sehr kritische Buch „War Jesus ein Linker oder ein Rechter" verfaßt hat.

Wenn heute fast 100 Studenten an der Heiligenkreuzer Hochschule studieren, ist dies zunächst ein Verdienst des verstorbenen Regensburger Diö-zesanbischofs Rudolf Graber, der, zunächst 1972 in Schwaz, dann 1975 in Heiligenkreuz ein überdiözesanes Studienhaus errichtete, in dem junge Männer auf dem dritten Bildungsweg (Nicht-Maturanten mitabgeschlossener Berufsausbildung) zum Priester herangebildet werden sollten.

Daß Graber hier auch eine „konservative" Alternative zur von ihm nicht immer geschätzten sonstigen Priesterausbildung vorschwebte, bestreitet der von ihm eingesetzte, heute noch amtierende Direktor des „Collegium Rudolphinum",derNiederländerOtto Hermans, gar nicht: „An staatlichen Fakultäten gibt es nur mehr die exemplarische Lehre, nicht mehr die gediegene gesamttheologische Ausbildung, wir wollten den Überblick über das Ganze anbieten." Das vom Verein „Opus Summi Sacerdotis" getragene Rudolphinum hat bereits rund 60 Priester ausgebildet, derzeit beherbergt es 22 Studenten, die meisten studieren im Einvernehmen mit den jeweiligen Regenten für deutsche Diözesen, vier für Chur, drei für Klagenfurt, zwei für das österreichische Militärordinariat und zwei für die Herz-Jesu-Priester.

Direktor Hermans, als Engelwerk-Gegner bekannt, erteilt bereitwillig Auskünfte über seine Arbeit und läßt Gespräche mit seinen Studenten, die im guten Sinn konservativ und theologischen Zeitfragen gegenüber sehr aufgeschlossen wirken, gerne zu. Dagegen will man am „Collegium Sanc-tissimae Trinitatis" in Mayerling „in Ruhe gelassen werden", wie Heribert Bastei, Präpositus des Oratoriums des heiligen Philipp Neri, das seit 1988 Träger dieses Hauses ist, betont. Bastei, der selbst auch kein Engelwerk-Freund ist, hebt hervor, daß das Mayerlinger Studienhaus sich genau an das Kirchenrecht, die Konzilstexte und die Durchführungsbestimmungen des Konzils halte. Er spricht von „Umstrukturierungen" und ist erst im Herbst zu einem Gespräch bereit.

Zu modernistisch?

Bis zum Herbst könnten sich aber in Mayerling einige Dinge tun, vermutet man in Heiligenkreuz. Soweit in Erfahrung zu bringen war, besuchen derzeit aus Mayerling 30 Studenten die Heiligenkreuzer Hochschule, die Mehrheit stammt aus Deutschland, aber fast alle studieren für die Erzdiözesen Wien und Salzburg, einzelne für das Oratorium, ein Mühlviertier für die Diözese St. Pölten, ein Fünfzigjähriger für die Diözese Feldkirch. Manche Lehrkräfte werden von den Mayerlingern angeblich als „zu modernistisch" abgelehnt. Zwei bis vor kurzem in Mayerling lebende Studenten, die sich wieder für ihre deutschen Heimatdiözesen entscheiden wollten, machten die Erfahrung, daß die Regenten dieser Diözesen von ihnen einen - inzwischen vollzogenen -Wechsel von Mayerling ins Rudolphinum verlangten, den die Studenten nicht bereuten. Die Hausordnung am Rudolphinum sieht mehr Freizeit und weniger Talarpflicht vor.

Daß das Mayerlinger Haus seit seiner Entstehung unter dem Ruf der Engelwerk-Nähe leidet, liegt daran, daß ein Priester namens Heinrich Morscher, selbst zeitweise Donate des mit dem Engelwerk verbundenen Ordens der Regularkanoniker vom Heiligen Kreuz, einst elf Studenten des „Rudolphinum" an das Engel werk vermittelt hat, wobei auch der emeritierte Salzburger Dogmatiker Ferdinand Holböck mitwirkte. Fünf dieser Studenten kehrten nach einem Jahr vom Engelwerk zurück, mit ihnen nahm Mayerling seinen Betrieb auf. Drei davon, von denen einer im Lebenslauf sein Studium in Anapolis (Engelwerk-Hochschule) gar nicht verschweigt, wurden dieser Tage zu Priestern der Diözese Salzburg geweiht, als Primizprediger wählten sie Heinrich Morscher (er ist dem Mayerlinger Haus durch Nachwuchswerbung und regelmäßige Exerzitien nach wie vor eng verbunden), Ferdinand Holböck und den Mayerlinger Stu-dienpräfekten Werner Schmid.

Schmid und Heinrich Morscher, die beide noch dem Orden vom Kostbaren Blut angehören, werden bald eine Entscheidung über ihre Zukunft treffen müssen. Ihr früherer Mitbruder, Heinrichs Bruder Edelbert Morscher, der drei Jahre „ad experimentum" in der Erzdiözese Wien tätig war, hat indessen eine neue Bleibe gefunden: Er sollte mit 1. Juli in der Diözese St. Pölten inkardiniert werden.

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