7210262-1992_28_01.jpg
Digital In Arbeit

„Nicht nach Österreich!"

19451960198020002020

Prekäre Situation in Ungarn: Die Budapester Regierung schickt alle bosnischen Flüchtlinge zurück, die nach Österreich wollen. Man will jeden Anschein vermeiden, sich an der serbischen „Zwangsdeportation" zu beteiligen.

19451960198020002020

Prekäre Situation in Ungarn: Die Budapester Regierung schickt alle bosnischen Flüchtlinge zurück, die nach Österreich wollen. Man will jeden Anschein vermeiden, sich an der serbischen „Zwangsdeportation" zu beteiligen.

Werbung
Werbung
Werbung

Bosnische Kroaten und Moslems, die von den Serben im Campinglager von Subotica/Szabadka im Norden der Vielvölkerprovinz Wojwodina konzentriert werden, sollen ins Paradies: Sie erhalten neue jugoslawische Pässe und werden mit der behördlichen Zusicherung in internationale Züge gesetzt, daß in Österreich nicht nur Hilfsorganisationen, sondern auch Arbeit auf sie warten.

In den ersten 48 Stunden nach der Einführung der Visapflicht für Inhaber jugoslawischer Reisedokumente kam es bei Hegyeshalom/Nickelsdorf und später auf dem Budapester Güterbahnhof zu dramtischen Szenen. Man warf sich zu Boden, man schrie Österreich und weigerte sich, Züge zu besteigen, die die Flüchtlingsopfer in das Aufnahmelager von Nagyatad bringen sollten.

Nach kurzer Ratlosigkeit reagierte Budapest schnell und für die Betroffenen zweifelsohne erbarmungslos. Das Land, mit mehr als 15.000 Flüchtlingen aus den südslawischen Republiken, wird weiterhin jeden Notleidenden aufnehmen, vorausgesetzt, er äußert die Absicht, in Ungarn bleiben zu wollen. Tut er das nicht - und nicht alle wissen das - wird er einfach zurückgeschickt. Die christlich-nationale Regierung unter Jozsef Antall geht davon aus, daß den serbischen Behörden die österreichische Visa-Pflicht wohl bekannt ist: folglich lehnt sie es entschieden ab, „organisierten Zwangsaussiedlungsaktionen"Beihil-fe zu leisten. Jene Bosnier - und in der Wojwodina warten noch rund 50.000 auf neue Pässe - die sagen, sie wollen „nach Österreich", müssen gleich an der serbisch-ungarischen Grenze umdrehen.

Kostspielige Großzügigkeit?

Die Frage, warum sich die Regierung auf diese Aktion den Flüchtlingen gegenüber festgelegt hat, ist zwar berechtigt. Doch aufgeworfen wird sie nicht einmal von den härtesten Kritikern der Koalition.

Dabei ist die Wirtschaft in einem Zustand, daß sich die Inspekteure des Internationalen Währungsfonds neulich nicht einmal dazu äußern wollten. Der von der Regierung verkündete Aufschwung ist ausgeblieben.

Auch deshalb kann das Flüchtlingsproblem ohne internationale Hilfe nicht bewältigt werden. Die überwiegende Mehrheit der rund 45.000 Menschen konnte zwar bei hilfsbereiten ungarischen Familien untergebracht werden. Doch diesen müssen auch die monatlichen Zuschüsse im Wert von 2.000 Forint gesichert werden. Viel Geld ist dafür nicht mehr da.

Die Ungarn hoffen auf Hilfsorganisationen, Spenden und Solidaritätsaktionen der westlichen Nachbarn.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung