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Robin Hood oder Marx junior?

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Mit der zweiten Etappe der Lohn- und Einkommensteuerreform will Ferdinand Lacina „den Reichen" nehmen und „den Armen" geben (FURCHE 22/ 1992). Für das obere Einkommensdrittel soll es nicht nur keine Inflationsanpassung des Tarifs, sondern echte Nettoeinkommensverluste geben. Als Grund für diesen überraschenden Umverteilungsvorsjoß nennt Lacina Berechnungen seines Ministeriums, die zeigen, daß bei der mit 1989 wirksam gewordenen ersten Reformetappe die Bezieher höherer Einkommen deutlich mehr profitiert haben. Gegen eine Umkehr dieser Entwicklung könne es, so Lacina zu „profil", keine guten Argumente geben. Haben wir mit Lacina einen mutigen Nachfolger des bewunderten Robin Hood, oder eher einen reichlich späten Epigonen des in Ungnade gefallenen Karl Marx vor uns?

Unbestreitbar ist: Von der ersten Etappe der Steuerreform haben tatsächlich die „Besserverdiener" mehr profitiert. Aber: Waren Leistungsanreize (statt Anreize zur Steuervermeidung mit Verlustabschreibung und dergleichen) für diese (vorher extrem besteuerte) Gruppe nicht auch ein erklärtes Ziel der Reform? Der Finanzminister hieß auch damals schon Ferdinand Lacina.

Folgt man seinen Argumenten, könnte man meinen, daß die „Besserverdiener" dank der letzten Reform prozentuell nur gleich viel von ihrem Einkommen an den Fiskus abliefern müßten wie einkommensschwächere Mitbürger - was jedermann als ungerecht und unsozial empfinden würde.

Wahr ist freilich, daß diese Gruppe auch nach der Reform erheblich höhere Steuern zahlt. Um bei den von Lacina verwendeten Beispielen zu bleiben: sind es beim (statistischen) „mittleren Einkommen" von 17.130 Schilling erst 8,5 Prozent, so sind es bei 31.800 Schilling (=Höchstbe-messungsgrundlage für Sozialversicherung) schon 14,9 Prozent und bei 63.600 Schilling (doppelte Höchstbemessungsgrundla-ge) 25,5 Prozent (also das Vierfache!), die der Fiskus vom Einkommen abzweigt. Die Progression ist durchaus noch am Leben.

Ein gleichzeitig in die Diskussion eingebrachtes neues Regulativ für die Sozialversicherungsbeiträge (Wegfall der Steuerabzugsfähigkeit, Wegfall der Höchstbemessungsgrundlage für den Arbeitgeberbeitrag) nährt indes den Verdacht, daß Altruismus nicht der alleinige Beweggrund für Lacinas Überlegungen ist: „Mehr Verteilungsgerechtigkeit" könnte zum Vehikel für eine brutale einnahmenseitige „Sanierung" der Sozialversiche-rung( und damit des Budgets) werden. Das wäre dann freilich Marke Marx senior...

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