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Schonprojekt für Stams?

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Die reizvolle Silhouette des Tiroler Dorfes Stams mit dem prachtvollen Barockstift scheint gerettet zu sein. Der ursprünglich geplante architektonische 'Anschlag konnte dank publizistischer 'Gegenmaßnahmen und der schließlichen Einsicht des offiziellen Auftraggebers verhindert werden. Dieser Tage wurde Im Innsbrucker Landhaus ein neues Modell präsentiert, das — im Gegensatz zur Erstplanung — auf den historischen Baubestand und die topographischen Eigenheiten des Dorfes größtmög' liehe Rücksicht nimmt.

Ursprünglich sollte nämlich das in einem alten Gasthof untergebrachte Skigymnasium durch einen BetoaJ

neubau erweitert werden, der die harmonische Einheit von Landschaft, Dorf und Stift in schockierender Weise zerstört hätte. Das 43.000 Kubimeter umfassende Objekt wäre für diese Gegend architektonisch völlig unpassend und außerdem der gewählte Standort untragbar gewesen. Als damals die ersten kritischen Stimmen laut wurden, stellte sich die Landesbaubehörde vorerst entschieden hinter das „Betonprojekt“, operierte mit den üblichen Argumenten, daß der Weiterbestand der Anstalt eben wichtiger sei als die Rücksichtnahme auf Denkmalschutz und Ensemblewirkung. Nach geraumer Zeit regte sich jedoch —

erstmals in Tirol — ein offizielles Baugewissen. Ein Gutachten der Technischen Fakultät wurde eingeholt, die schon laufenden Planungsarbeiten unterbrochen. Als das Fakultätsgutachten den „bösen Kritikern“ recht gab, ja sogar von der Verbauung des gesamten Stamser Hügels abriet, entschloß man sich, eine Neuplanung in Auftrag zu geben. Mit der heiklen Aufgabe wurde der durch rücksichtsvolle zeitgemäße Planungen bekannte Südtiroler Architekt und nunmehrige Professor für Gestaltungslehre an der Technischen Fakultät Innsbruck, Othmar Barth, betraut. Damit war das Skigymnasium gerettet.

Das von Architekt Barth geschaffene Modell ist auch tatsächlich so ausgefallen, daß man der Ausführung mit gutem Gewissen die Zustimmung erteilen kann. Barth setzt, in einem Spannungswinkel zum Stift, an den Rand einer Geländerippe einen in der Gesamterscheinung unaufdringlichen Flachbau, der sich in das Ensemble erstaunlich gut einfügt. Als „Fleißaufgabe“ machte Barth aber auch gleich Vorschläge zur Raumgestaltung und zeigte Erweiterungsmöglichkeiten auf. Wenn der Bau in der nun vorliegenden Planung verwirklicht wird und auch die übrigen raumgestalterischen Möglichkeiten genützt werden, dürfte das Gesamtbild von Stams sogar noch gewinnen. Das Beispiele beweist, daß für unsere Städte, Dörfer und Landschaften sehr wohl eine moderne Weiterentwicklung möglich ist, ohne wertvolle alte Substanz und die Harmonie der Gesamtheit zerstören zu müssen. Der konkrete Fall zeigt aber auch, daß durch konstruktive Kritik mancher Unfug vermieden werden kann.

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