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Betonbarock

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Das Tiroler Oberland ist wesentlich weniger zersiedelt und durch unpassende Bauten beeinträchtigt als das Unterinntal. Dort wäre also noch einiges zu retten. Wenn nun der Plan auftaucht, ausgerechnet vor dem 700 Jahre alten Zisterzienserstift Stams, einem kunsthis'torischen Juwel und landesgeschichtlichen Zentrum, supermoderne Betonklötze hinzusetzen, dann darf es einen nicht wundem, wenn öffentliches Unbehagen entsteht und von verschiedenen Seiten energische Proteste laut werden.

Es geht dabei um die Erweiterungsbauten für das Stamser Ski-gynrnasiem. Diese an sich äußerst positive Einrichtung soll in mehreren Ausbaustufen auf eine Kapazität von 280 Schülern vergrößert und dem Gymnasium eine Handelsschule angeschlossen werden. Außerdem ist die Anlage ausgedehnter Sportstätten vorgesehen. Die Proteste richten sich keineswegs gegen die Expansionsfreude, sondern gegen den für diesen Zweck vorgesehenen Standort. Bei Ausführung des gegenwärtigen Planes würde zierlicher Barock von kalter Betonwucht erdrückt werden. Der Blick von der Bundesstraße auf das reizvolle Oberländer Dorf mit dem prächtigen Stift wäre forthin unerfreulich, ein weiteres Idyll zerstört.

Von Landschafts- und Denkmalschützern aufgerüttelt, hat sich eine ansehnliche Gruppe von Gegnern dieses Projektes formiert, der auch namhafte Politiker, Architekten und Wissenschaftler angelhören. Anläßlich einer öffentlichen Diskussion gewann die Überzeugung Oberhand, daß es hier „nicht allein um den Ausblick auf das Kloster, sondern um die ganze Sicht in der Landschaft“ gehe. Professionelle Denkmalschützer beriefen sich auf das Tiroler Raumordnungsgesetz und die Charta von Venedig aus dem Jahr 1964, in welcher der Schutz für Gesamtensembles und die Landschaft rund um historisch wertvolle Gebäude verankert ist. Die Feststellung, daß auch Stamms auf eine Lage im freien Gelände konzipiert sei, ist wohl für jeden mit etwas Harmoniegefühl ausgestatteten Menschen einleuchtend. Die Befürworter des umstrittenen Standortes führen wiederum die üblichen Gründe der Wirtschaftlichkeit ins Treffen.

Nun, im Fall Stams ist der Strauß noch nicht ausgefochten. Es hieten sich mehrere Alternativen an, die alle ihre Für und Wider haben, aber doch durchwegs vertretbarer erscheinen als die ursprünglich vorgesehene Lösung. Gegenwärtig setzen sich Professoren der Technischen Fakultät der Universität Innsbruck mit dem Standortproblem auseinander, nachdem Landeshauptmann Wallnöfer der Landesbaudirektion den Auftrag erteilt hat, ein Gutachten einholen zu lassen.

Sonst wäre es am besten, gleich alle Baudenkmäler insgesamt abzutragen und ins Museum zu schleppen. Dann stünde der sozialen „Wirtschaftlichkeit“ nichts mehr fan Wege.

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